Feldmessungen mit der Methode des gepulsten Drahtes

P. Gippner, A. Schamlott und U.Wolf

Die Methode des gepulsten Drahtes gestattet das Ausmessen der Magnetfeldkomponente By(z) eines Undulators mit relativ einfachen Mitteln. Sie ist aber auch für Quadrupole und Dipole anwendbar. Die prinzipielle experimentelle Anordnung besteht aus einem dünnen Draht, der längs der z-Achse des Magnetfeldes gespannt ist (Fig.1). Diese Achse beschreibt die Einschussrichtung der Elektronen.



Abb. 1 Prinzipielle experimentelle Anordnung für Feldmessungen mit der Methode des gepulsten Drahtes
 

Ein kurzer Stromimpuls läßt an diesem Draht eine Kraft K(z) angreifen , die in jedem Punkt z der Magnetfeldkomponente By(z) proportional ist. Diese Kraft bewirkt innerhalb des Undulators eine Auslenkung des Drahtes x(z) und eine Geschwindigkeitsverteilung vx(z), wobei sich letztere aus Gründen der Impulserhaltung in Form von Wellenpaketen nach beiden Seiten aus dem Undulator herausbewegt. Eines dieser Wellenpakete durchläuft einen Detektor, der aus einer Laser- und einer Photodiode besteht. Der schwingende Draht schattet die Photodiode entsprechend seiner Amplitude ab und erzeugt dadurch eine von der Zeit t abhängige Intensitätsschwankung des Ausgangssignales, die auf einem Oszillographen sichtbar gemacht werden kann. In digitalisierter Form ergeben diese Schwankungen sinusartige Funktionen, welche über die Qualität des Magnetfeldes (Konstanz der magnetischen Wellenlänge λU, Gleichartigkeit der Amplituden von By(z)) Auskunft geben können.

Die Ausbreitung der Wellenpakete auf dem Draht wird durch die inhomogene, partielle Differentialgleichung einer schwingenden Saite beschrieben

, (1)
wobei x(z,t) die Auslenkung des Drahtes,
  a die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Wellenpaketes und
  f(z,t) die Dichte der am Draht wirkenden äußeren Kraft K
darstellen.    

Eine Lösung von (1) ist durch das Integral

(2)

gegeben. Sendet man einen Stromimpuls durch den gespannten Draht, so wirkt auf diesen innerhalb des Magnetfeldes die sogenannte Lorentzkraft, welche für die Funktion f(z,t) den Ansatz

(3)

rechtfertigt. Hierbei sind

 

T die Spannkraft am Draht,
I(t) die Stromstärke im Draht als Funktion der Zeit und
By(z) die y-Komponente des Magnetfeldes längs der z-Achse.

Dieser Ansatz liefert für das Integral (2) den Ausdruck

. (4)

Es existieren zwei Funktionen I(t), welche zu einfachen, physikalisch wesentlichen Lösungen führen:

a) , ein kurzer, nadelförmiger Stromimpuls (Abb.2a)
b) , das Einschalten eines Gleichstromes zur Zeit t = 0 (Abb. 2b).

Abb. 2: Die Funktionen δ(t) für einen nadelförmigen Stromimpuls (a)
und Θ(t) für das Einschalten eines Gleichstroms (b).

 

Im Falle des nadelförmigen Stromimpulses erhält man aus (4) für x(z,t)

  (5)
.

Die Auslenkung des Drahtes wird beschrieben durch das erste Feldintegral J1(z ± at) über die y-Komponente des Magnetfeldes. Die Argumente z ± at bewirken das Wandern der Wellenpakete J1 in beide z-Richtungen über den Draht. Nur eines dieser Wellenpakete wird registiert, da nur ein Detektor vorhanden ist.

Im Falle des Einschaltens eines Gleichstromes erhält man als Lösung

(6)

mit den Funktionen

  (7)
,

die beide durch ein Zweifachintegral über die Feldkomponente By(z) definiert werden (sog. 2. Feldintegral J2(z)). Es laufen die Wellenpakete J2(z-at) nach z>0 und J2(z+at) nach z<0 aus dem Undulator heraus, während die Auslenkung -2J2(z) im Undulator stehen bleibt. Nur die Funktion J2(z-at) wird registriert.

Die Funktionen J1(z) und J2 (z) beschreiben die Bewegung eines Elektrons im Undulatorfeld.

Ein Rechteckimpuls entsteht durch die Überlagerung zweier Θ-Funktionen mit unterschiedlichen Vorzeichen

formel8.gif (8)

Der erste Summand in (8) bildet die Vorderflanke, der 2. Summand die Rückflanke , während Δt die Impulslänge angibt.

Einsetzen von (8) in (4) liefert:

formel9.gif (9)

Die von der Rückflanke erzeugten Glieder mit negativem Vorzeichen treten nur für t ≥Δt auf. Ist Lu die Länge des Undulators , dann gilt für

ta0.gif x(z,t) ≡ 0 , da kein Rechteckimpuls anliegt,
ta1.gif die von beiden Flanken des Rechteckimpulses induzierten Signale interferieren miteinander,
ta2.gif die beiden Signale können getrennt gemessen werden und treten mit einer Phasendifferenz von 180o auf.
 

Im folgenden werden Resultate beschrieben, die bei der Untersuchung der Feldkomponenten By(z) an den beiden Undulatoren U50 und U27 des ELBE-Projektes erhalten wurden. Teile der verwendeten experimentellen Anordnung sowie das Software-Paket zur Datenaufbereitung wurden von der Firma ACCEL 1 geliefert.

Für die Messungen ersetzen wir die Kastenfunktion Θ(t) durch einen langen Stromimpuls im ms-Bereich und die nadelförmige δ - Funktion durch einen Impuls von ca 10 μs Länge. Tabelle 1 enthält die Zusammenstellung der elektrischen Parameter, die für die Messung der ersten und zweiten Feldintegrale benutzt wurden.

 

J1

J2

Impulslänge Δt

12 μs

>20 ms

Impulshöhe

600 V

40 V

Frequenz

0.5 Hz

0.1 Hz

Tabelle 1

 

Die Höhe der Stromimpulse muss so festgelegt werden, dass die Ausgangssignale des Detektors nicht einseitig begrenzt werden.

Abb. 3: Die Kennlinie der Anordnung Laserdiode-Photodiode. Sie entsteht beim Durchschieben eines 50 μm dicken Drahtes durch den Laserstrahl, der einen Durchmesser von 1 mm hat und auf den Draht fokussiert ist. A1 und A2 sind die möglichen Arbeitspunkte.

 

Die Abb. 3 zeigt daher die Kennlinie der verwendeten Anordnung Draht - Detektor. Diese Kennlinie entsteht, wenn ein 50 μm dicker Draht durch den Strahl der Laser-Diode hindurchgeschoben wird, der durch eine Lochblende im Durchmesser begrenzt und auf den Draht fokussiert ist. Die Punkte A1 und A2 sind als Arbeitspunkte der Anordnung geeignet . Sie unterscheiden sich jeweils durch die Phase des Ausgangssignals ΔU. Durch das Messen der zu A1 und A2 gehörigen Ausgangsspannung wird die Mittellage des Drahtes vor Beginn des Experimentes mit Hilfe eines Mikrometers eingestellt. Der Betrag von ΔU muß klein genug gehalten werden, damit die Detektoranordnung ausschließlich im linearen Bereich arbeitet. Die Auslenkung Δx des Drahtes darf daher eine maximale Größe Δxmax nicht überschreiten.

Aus (5) folgt für die maximale Auslenkung des Drahtes

 

, (10)
mit .

Hierbei sind ρ die Dichte und F die Fläche des verwendeten Drahtes. Wegen Δxmax ≈ xmax kann mit Hilfe von (10) die Ladungsmenge Q0 = I0*Δt abgeschätzt werden, die einen linearen Betrieb der Anordnung ermöglichen sollte.

Die Parameter des verwendeten Drahtes sind in Tabelle 2 zusammengestellt.

Material

 

CuBe

Durchmesser

d

50 μm

Dichte

ρ

8.25 g/cm3

Fläche

F

1.96 * 10-5 cm2

Spannkraft

T

1.37 N

Gruppengeschwingigkeit

a

290 m/s

Elektr. Widerstand

R/l

0.561 Ω/cm

Länge

L

8.0 m für U50

   

7.5 m für U27

Tabelle 2

 
Abb. 4: Die mit der Drahtmethode am ENEA-Undulator gemessenen Integrale I1(z) (Teil b) und I2(z) (Teil c). Die Spaltbreite des Undulators betrug g=25 mm. Die Feldverteilund By(z) in der Mittelebene wurde numerisch durch Differentiation von I1(z) erhalten. (Teil a)   Abb. 5: Das mit der Hall-Sonde in der Mittelebene des ENEA-Undulators gemessene Feld By(z) (a). Die Spaltbreite betrug g=25 mm. Die Funktionen I1(z) (Teil b) und I2(z) (Teil c) wurden durch numerische Integration über By(z) berechnet. Um I1(z) in rad und I2(z) in der Dimension mm zu erhalten, wurde eine Elektronenenergie Ekin=20 MeV angenommen.
 

Vorläufige Ergebnisse der Messungen am Undulator U50 (ENEA-Undulator) sind in Abb. 4 zu sehen. Sie zeigt für eine Spaltbreite von g = 25 mm das mit einem δ-förmigen Stromimpuls gemessene 1. Feldintegral I1(z) in willkürlichen Einheiten (Teil b) und das 2. Feldintegral, ebenfalls in willkürlichen Einheiten, das mit Hilfe eines 20ms langen Impulses erhalten wurde (Teil c). Die Feldverteilung By(z) in der Mittelebene (Teil a) wurde durch numerische Differentiation der Funktion I1(z) erhalten und ist mit großen Fehlern behaftet. Zum Vergleich sind in Abb. 5 die entsprechenden Ergebnisse angeführt, die für U50 mit der Hall-Sonde erhalten wurden. Um die Qualität der Methode des gepulsten Drahtes besser beurteilen zu können, werden die beiden Funktionen I1(z) aufeinander normiert. Dadurch erhält man auch die mit dem gepulsten Draht gemessenen 1. Feldintegrale in der Dimension rad, die nach einer weiteren Integration die Trajektorien der Elektronen liefern können. (Auf eine direkte Eichung der I1(z) mit Hilfe eines Referenzmagneten wurde wegen der großen experimentellen Ungenauigkeiten verzichtet!).

 
Abb. 6: Das mit der Drahtmethode am ENEA-Undulator gemessene Integral I1(z) aus Abb. 4 wurde mit Hilfe von I1(z) aus Abb. 5 in rad umnormiert (Teil b). Durch Integration erhält man die Funktion I2(z) (Trajektorie) in der Dimension mm, welche mit der Funktionen I2(z) der Abb. 4-7 verglichen werden muß.   Abb. 7: Die durch Hall-Sonden-Messungen am ENEA-Undulator erhaltenen Integrale I1(z) und I2(z) aus Abb. 5. Zum Vergleich mit den entsprechenden Funktionen der Drahtmethode (Abb. 6) sind die Maxima und Minima grob numeriert.
 

Die aufeinander normierten 1. Feldintegrale sind in den Abbildungen 6(b) und 7(b) dargestellt. Betrachtet man die einzelnen Maxima und Minima in beiden Funktionen, so kann man unschwer Korrelationen feststellen, die z.B. für die Suche nach Fehlern im Magnetfeld des Undulators nach einem Transport über große Strecken herangezogen werden können. Um den Überblick zu erleichtern, wurde eine grobe Numerierung eingeführt.
Die Feldmessungen mit der Hall-Sonde wurden im Institut ENEA (Frascati, Italien) durchgeführt, während die Messungen mit dem gepulsten Strahl nach dem Transport des Undulators ins FZ Dresden-Rossendorf erfolgten. Der Vergleich der der Abb. 6(b) und 7(b) sowie spezielle Korrelationsuntersuchungen zeigen, dass der Transport keine Veränderungen an der Magnetstruktur verursacht hat.
Die Teile (c) der Abbildungen 6 und 7 zeigen die durch numerische Integration erhaltenen 2. Feldintegrale (Trajektorien). Sie weichen erheblich voneinander ab. Diese Unterschiede sind auf die geringfügigen Schwankungen und das große Maximum in den unteren Kanälen der mit dem Draht gemessenen Funktion I1(z) zurückzuführen (Abb. 6b), auf die jedes weitere Integral empfindlich reagiert.

Abb. 8: Mit der Methode des gepulsten Drahtes am ENEA-Undulator gemessene zweite Feldintegrale ohne Korrekturfeld (a) und mit Korrekturfeldern (b), die dem Undulatorfeld durch 3 Stromschleifen überlagert wurden.
 

Die Abb. 8 zeigt die Gegenüberstellung von 2. Feldintegralen, die mit der Drahtmethode am ENEA-Undulator für eine Spaltbreite von g = 16 mm gemessen wurden. Die im hinteren Undulatorteil auftretende Abweichung der Elektronen von der z-Achse (Teil (a)) kann mittels dreier Stromschleifen korrigiert werden (Teil(b)), welche um die vordere Hälfte, den mittleren Teil und die hintere Hälfte des Undulators gelegt sind. Die Methode des gepulsten Drahtes reagiert auf diese Korrektur sehr empfindlich und kann offensichtlich benutzt werden, um die Abweichungen von Teil (a) vollständig zu beseitigen.

ab9.gif
Abb. 9: Die von Vorder- und Rückflanke eines Rechteckimpulses erzeugten 2. Feldintegrale I2(z). Die Impulslänge betrug Δt = 8.5 ms.
 

Die Abb. 9 zeigt die 2. Feldintegrale, die von der Vorder- und Rückflanke eines Rechteckimpulses am ENEA-Undulator erzeugt wurden. Die Impulslänge Δt = 8.5 ms ist länger als die Signallaufzeit Lu / a, so dass die beiden Anteile gerade nicht mehr interferieren und somit getrennt gemessen werden können.

Für Impulslängen Δt > 20 ms (s. Tab. 1 !) besteht die Möglichkeit der Interferenz beider Anteile nicht.

Die Abb. 10 zeigt im Teil(a) das vor dem Transport ins FZ Dresden-Rossendorf mit der Hall-Sonde gemessene Feld des Undulators U27, sowie die für E=20 MeV berechneten 1. und 2. Feldintegrale (Teil(b) und (c)). Um die Trajektorie des Sollteilchens innerhalb der optischen Mode zu halten, wurde angenommen, dass sich vor dem 2. Undulatorsegment eine Korrekturspule befindet, die ein Feld von B2=2 mT erzeugt. Für die Messungen mit dem gepulsten Draht wurden vor beide Segmente von U27 Korrekturspulen mit einer Windungszahl von N= 2x50 und einem Luftspalt von 20 mm montiert.

Abb. 11 zeigt die an U27 mit der Drahtmethode gemessenen 2. Feldintegrale I2(z) für eine Spaltbreite von g=13 mm. Unter Zuhilfenahme der Korrekturspulen ist es möglich, die modellierte Trajektorie des Sollteilchens in der optischen Mode zu halten. Allerdings zeigt I2(z) in der 2. Sektion eine Abweichung, die durch eine geringfügige Veränderung der Magnetstruktur während des Transports entstanden sein kann.

Um die Größe dieser Auslenkung abschätzen zu können, wurde unter gleichen Bedingungen das 1. Feldintegral I1(z) gemessen (Abb. 12a) und in T*mm umgeeicht (Abb. 12b), wobei die Art der Abtrennung des Untergrundes das Resultat der nachfolgenden numerischen Integration stark beeinflußt. Das schließlich erhaltene 2. Feldintegral I2(z) hat die Dimension mm (Abb. 12c) und zeigt, dass die Auslenkung der Teilchenbahn etwa 0.4 mm beträgt. Nach der Montage der Vakuumkammer zwischen die Girder des Undulators sollen die Messungen mit dem gepulsten Draht wiederholt und Korrekturen an der Magnetstruktur vorgenommen werden, um die Auslenkung zu beseitigen.

Abb. 10: Mit der Hall-Sonde gemessene Feldverteilung By(z) in der Mittelebene von U27. Die Spaltbreite betrug g=12mm. Für E=20 MeV wurden das 1. und 2. Feldintegral (b) und (c) berechnet. B1 und B2 geben die Feldstärke der Korrekturspulen an, die den Eintrittswinkel der Elektronen in die Undulatorsegmente bestimmen. Abb. 11: Mit dem gepulsten Draht am Undulator U27 gemessene 2. Feldintegrale I2(z). Die Spaltbreite betrug g=13 mm. Die Teile (a), (b) und (c) zeigen die Wirkung der Korrekturspulen auf die Funktionen I2(z). Die entsprenchenden Spulenströme sind angegeben.
 

Abb. 12: Mit dem gepulsten Draht am Undulator U27 gemessenes 1. Feldintegral I1(z) in willkürlichen Einheiten (a) und nach der Eichung in T*mm (b). Die numerisch Integration liefert I2(z) in T*mm2. Es gilt I2[mm]=0.3*I2[T*mm2]/E[MeV].

1 ACCEL Instruments GmbH, Bergisch-Gladbach