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Dr. Christine Zimmermann

Kommunikation und Medien
Wissen­schaftsredakteurin
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Wissenschaftliche Höhepunkte 

Online-Jahresbericht 2018


Elektronische Haut als künstlicher Kompass und Schnittstelle für interaktive Elektronik

Illustration Magnetsensor Panda ©Copyright: HZDR / G.S. Cañón Bermúdez

Mit dem Mini-Magnetsensor auf der Hand lässt sich ein Panda im virtuellen Raum steuern.

Foto: HZDR / G.S. Cañón Bermúdez

Forscher am HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung haben einen elektronischen Magnetsensor entwickelt, der sich wie ein hauchdünnes Pflaster auf die Haut aufkleben lässt. Der Sensor mit Abmessungen im Mikrometerbereich wird auf hochflexibles Trägermaterial aufgebracht und ist in der Lage, die Ausrichtung im freien Raum ausschließlich durch die Wechselwirkung mit dem Erdmagnetfeld wahrzunehmen. Derartige Magnetfeld-Sensoren ermöglichen es, die Position und Bewegung eines Körpers im freien Raum in Echtzeit zu verfolgen.

Anhand eines einfachen Computerspiels demonstrierten die HZDR-Forscher zudem, dass sich mit diesen Sensoren auch virtuelle Objekte in Anwendungen der Virtuellen Realität (Virtual Reality, VR) und der erweiterten Realität (Augmented Reality, AR) allein auf Basis der biomagnetischen Orientierung navigieren lassen. Diese Art der Interaktion ist, im Unterschied zu heute verfügbaren Schnittstellen-Technologien, vergleichsweise nahtlos und ohne großen mechanischen oder sonstigen technischen Aufwand in die Nutzerumgebung und in den Alltag integrierbar.

Das Potenzial dieser innovativen Sensortechnologie reicht über die Computer- und Spieleindustrie weit hinaus. Zum Beispiel sind Sicherheitsanwendungen denkbar. Darüber hinaus kann ein derartiger „E-Skin-Kompass“ den Menschen künftig in die Lage versetzen, den magnetorezeptiven Sinn, den manche Tiere auf natürliche Weise besitzen, elektronisch nachzuahmen. Damit rückt eine Navigation allein auf Basis des umgebenden Erdmagnetfelds in den Bereich des Möglichen.


Graphen erschließt effizient Taktraten im Terahertz-Bereich

Graphen ermöglicht Taktraten im Terahertz-Bereich ©Copyright: Juniks/HZDR

Graphen ermöglicht Taktraten im Terahertz-Bereich.

Bild: Juniks / HZDR

Für die Entwicklung neuartiger, immer schnellerer (opto-)elektronischer Bauteile steht als logischer nächster Schritt das Vordringen in den Terahertz-Frequenzbereich an. Jedoch mangelt es bis heute an Materialien und Technologien zur einfachen und effizienten Erzeugung und Konvertierung von Terahertz-Strahlung. Graphen – eine einlagige Atomschicht wabenartig verketteter Kohlenstoff-Atome – wird seit Langem als ein potenzielles Material hierfür diskutiert. In einer bahnbrechenden Arbeit konnte jetzt erstmals ein Team von HZDR-Forschern in Kollaboration mit dem Max-Planck-Institut für Polymerforschung und der Universität Duisburg-Essen (UDE) die theoretisch vorhergesagten, starken nichtlinearen Eigenschaften von Graphen im Terahertz-Bereich im Experiment nachweisen. Mithilfe der einzigartigen experimentellen Möglichkeiten an der TELBE – der Terahertz-Nutzeranlage am ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen des HZDR – gelang es den beteiligten Wissenschaftlern, die Frequenzvervielfachung in einer Graphen-Monolage vom hohen Gigahertz- in den Terahertz-Bereich direkt zu messen.

Die hierbei ermittelten nichtlinearen Koeffizienten für Graphen – ein Maß für die Effizienz des Prozesses – waren extrem hoch; die Werte für andere nichtlineare Materialien wurden um sieben bis 18 Größenordnungen übertroffen. Mit einem vergleichsweise einfachen thermodynamischen Modell, entwickelt in der Gruppe von Prof. Dmitry Turchinovich (vormals UDE, jetzt Universität Bielefeld), konnten die Wissenschaftler die experimentellen Ergebnisse zudem auch quantitativ gut interpretieren. Das Modell beschreibt die Wirkung des anregenden Feldes im hohen Gigahertz-Bereich als ultraschnellen, kollektiven Heiz- und Abkühlungsprozess der im Graphen vorhandenen freien Ladungsträger. Dies hat eine starke Modulation der opto-elektronischen Eigenschaften des Graphens, insbesondere der elektrischen Leitfähigkeit, zur Folge. Sind, etwa durch Dotierung, genügend freie Ladungsträger vorhanden, führt das anregende Feld zur Emission höherer harmonischer Schwingungen mit dreifacher, fünffacher und siebenfacher Frequenz.

Die Arbeit zeigt, dass Graphen-basierte Bauelemente sehr effizient eine Brücke vom Giga- in den Terahertz-Bereich schlagen können. Damit rückt die Realisierung völlig neuer ultraschneller Technologien in Reichweite.


Protonenstrahlen und Magnetresonanz-Tomographie: Eine aussichtsreiche Kombination gegen Krebs

Dr. Aswin Hoffmann ©Copyright: HZDR / R. Weisflog

Dr. Aswin Hoffmann mit dem Versuchsaufbau zur Kombination von Protonenstrahl und MRT im Experimentalraum des OncoRay.

Foto: HZDR / R. Weisflog

Ein Vorteil der Protonenstrahl-Therapie (PT) gegenüber der herkömmlichen Strahlentherapie bei Krebserkrankungen ist eine bessere Schonung des umliegenden, gesunden Gewebes. Allerdings ist hierfür ein Sicherheitssaum um den Tumor erforderlich, denn bislang lässt sich nicht sehr genau vorhersagen, an welchem Ort im Tumor die Protonen ihre volle Wirkung entfalten. Wissenschaftler am HZDR erforschen Methoden, um die Präzision der PT zu erhöhen und damit ihr Potenzial zum Nutzen der Patienten besser ausschöpfen zu können. In einer Proof-of-Concept-Studie untersuchten sie jetzt erstmals die gleichzeitige Bildgebung mittels Magnetresonanz-Tomographie (MRT) unter Protonenbestrahlung. Im Vergleich zur Computertomographie, die auf Röntgenstrahlung basiert, stellt die MRT Weichgewebe deutlich kontrastreicher dar und birgt zudem keine zusätzliche Strahlenlast. Sie hat demnach das Potenzial zur kontinuierlichen Echtzeit-Bildgebung während einer Protonenbestrahlung.

Im Fokus der Studie standen die elektromagnetischen Wechselwirkungen bei der Kombination der PT- und MRT-Systeme. Protonen sind positive geladene Teilchen, daher wird der Protonenstrahl vom Magnetfeld des MRT-Scanners abgelenkt. Das wirkt sich auf die Strahlqualität und die Verteilung der Dosis im Gewebe aus. Umgekehrt beeinflussen die von der PT-Anlage erzeugten Magnetfelder das Magnetfeld des MRT, das allerdings für eine hohe geometrische Bildqualität homogen sein muss. Den Wissenschaftlern des HZDR gelang der Nachweis, dass eine Kombination beider Systeme dennoch möglich ist, ohne Abstriche bei der Qualität des Protonenstrahls oder der MRT-Bildqualität hinzunehmen.

Für ihre Untersuchungen brachten die Forscher ein offenes MRT-Gerät mit niedriger Feldstärke in den Protonenstrahl im Experimentalraum am Nationalen Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay. Als Testobjekte dienten ein standardisiertes Kniephantom und gewebe-imitierendes Probematerial. Anhand ihrer Ergebnisse und begleitender Berechnungen konnten die Forscher belegen, dass die Magnetfelder aus dem Protonenstrahl-System zwar kleine geometrische Verschiebungen in den MRT-Bildern erzeugen, diese sich jedoch leicht vorhersagen und eliminieren lassen. Darüber hinaus zeigten sie, dass sich auch die Ablenkung des Protonenstrahls durch das MR-Magnetfeld genau kalkulieren lässt. Somit kann die veränderte Dosis-Verteilung bereits in der Behandlungsplanung berücksichtigt und entsprechend korrigiert werden.

Den Stellenwert dieser Arbeit unterstreicht die Verleihung des Roberts Prize 2019 durch das Institute of Physics in Medicine (IPEM), Großbritannien, für den besten in der Fachzeitschrift Physics in Medicine and Biology 2018 publizierten Artikel. 


Biomineralisation von Uran in Steinsalz-Lagerstätten

Mikroorganismen im Salzgestein (ref.) ©Copyright: HZDR / Juniks

Mikroben im Steinsalz (rosa) können gelöstes Uran in unlösliches Mineral (grün) überführen.

Bild: HZDR / Juniks

Salzstöcke zählen zu den Geoformationen, die als potenzielle Endlagerstätten für hochradioaktiven Abfall in Deutschland untersucht werden. Für die Bewertung relevant ist die sichere Verwahrung des Materials im Verlauf einer Million Jahre. In diesem Kontext untersuchen Wissenschaftler am HZDR geobiologische Prozesse, die unter den zu erwartenden Umweltbedingungen ablaufen können. Im Steinsalz stellen Haloarchaeen – urtümliche Mikroorganismen – die dominierende Lebensform. Über ihre Wechselwirkungen mit Radionukliden war bislang jedoch wenig bekannt. Ein Forscherteam des HZDR fand heraus, dass gelöstes Uran von den im Steinsalz ansässigen Haloarchaeen durch Biomineralisation in Uranyl(VI)-Phosphat überführt wird.

Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler zwei Mikrobenstämme (Halobacterium noricense DSM 15987T und Halobacterium sp. putative noricense), die ursprünglich in einem Salzberkwerk in Altaussee, Österreich und einer US-amerikanischen WIPP (Waste Isolation Pilot Plant) gefunden wurden. Diese, in konzentrierter Salzlösung kultivierten Haloarchaeen setzten sie im Experiment über einen längeren Zeitraum verschiedenen Urankonzentrationen aus. Die Versuchsbedingungen entsprachen einem simulierten Worst-Case-Szenario, etwa bei einem Wassereinbruch in ein Endlager in einem Salzstock.

Beide Halobacterium-Stämme zeigten eine unerwartete, mehrstufige Interaktion mit dem Uran: Nach anfänglicher Aufnahme der Radionuklide erfolgte eine Freisetzung und anschließend eine erneute Bioassoziation. Mittels spezieller spektroskopischer Methoden gelang es den Wissenschaftlern, die Struktur der im Verlauf gebildeten Urankomplexe aufzuklären. Letztlich bildete sich mineralisches Uranyl-(VI)-Phosphat. Die dominierenden Mikroorganismen im Steinsalz sind demnach in der Lage, Uran im Falle einer Freisetzung in eine unlösliche Form zu überführen und somit eine weitere Ausbreitung in die Umwelt wirksam zu verhindern. 


Industrie-Kreisläufe für kritische Rohstoffe: Effiziente Rückgewinnung von Gallium

Komplexierung von Gallium-III-Ionen mit den Siderophoren DFOB (a) und DFOE (b) ©Copyright: Dr. Jain, Rohan

Komplexierung von Gallium-III-Ionen mit den Siderophoren DFOB (a) und DFOE (b)

Bild: HZDR / Rohan Jain

Gallium gilt als ein kritischer Rohstoff in der Erschließung erneuerbarer Energiequellen und der Entwicklung energieeffizienter Systeme. Da die Versorgung auf dem Weltmarkt mit Risiken behaftet ist, werden effiziente Recycling-Technologien benötigt: Sie können die Verfügbarkeit dieses seltenen Metalls für Hochtechnologien auch künftig sicherstellen. Wissenschaftler des HZDR entwickelten eine Technologie, um Gallium(III)-Ionen aus niedrig konzentrierten Industrieabwässern in der Produktion von GaAs-Wafern abzutrennen. Für die Rückgewinnung des Galliums nutzten sie zwei verschiedene Siderophore: Desferrioxamine B (DFOB) und Desferrioxamine E (DFOE).

Als Siderophore – griechisch „Eisenträger“ – wird eine Gruppe von rund 500 niedermolekularen Verbindungen (mit molaren Massen von 500 bis 1.500 Dalton) bezeichnet, die sich durch die Bildung stabiler Komplexe mit Eisenionen auszeichnen. In der Natur werden sie von zahlreichen Bakterien, Pilzen und Pflanzenwurzeln bei Eisenmangel gebildet, um dieses essenzielle Mineral aus der Umgebung aufnehmen zu können.

Den Untersuchungen der HZDR-Forscher zufolge bilden DEOB wie auch DEOE hochstabile Gallium-Siderophor-Komplexe. Dieses Ergebnis korreliert mit der beobachteten, hohen Selektivität der beiden Siderophore gegenüber Gallium. Tatsächlich konnte das Erdmetall aus zwei verschiedenen Prozess-Abwässern der Wafer-Produktion zu 100 Prozent als Komplex gebunden werden. Mittels verschiedener spektrometrischer Methoden (Infrarot und Kernresonanz) sowie funktionalen theoretischen Dichteberechnungen ermittelten die Wissenschaftler, wie die Gallium(III)-Ionen komplexiert werden: Demnach fixieren die Siderophore das Metall an speziellen funktionellen Gruppen, die neben Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff auch ein Stickstoffatom enthalten.

Um den Galliumkomplex aus dem Prozess-Abwasser abzutrennen, nutzten die Wissenschaftler ein chromatographisches Verfahren – die C18-Reversphasen-Säulenchromatographie. Damit konnte das Gallium nahezu vollständig komplexiert und zu 95 Prozent als Siderophoren-Komplex zurückgewonnen werden. Die Freisetzung des Galliums aus dem Komplex gelang mit einem sechsfachen Überschuss des Komplexbildners Ethylen-Diamin-Tetra-Acetat (EDTA) in saurer Lösung (pH-Wert 3,5), so dass eine Regeneration von > 90 Prozent der Siderophore ohne Funktionsverlust möglich war. Eine Anwendbarkeit der Siderophore konnte über mindestens 10 Zyklen ohne Funktionsverslust nachgewiesen werden.