Entwicklung der targetspezifischen Komponente eines Tumor-Pretargeting Systems auf der Basis L-konfigurierter Oligonukleotide


Entwicklung der targetspezifischen Komponente eines Tumor-Pretargeting Systems auf der Basis L-konfigurierter Oligonukleotide

Schubert, M.

Fortschritte auf dem Gebiet der Molekularbiologie haben im letzten Jahrzehnt etablierte wissenschaftliche Ansichten über die Entstehung von Tumorerkrankungen wesentlich verändert. Im Gegensatz zur früheren Sichtweise, dass Tumore einzig eine Ansammlung relativ homogener Krebszellen sind, verweisen die Erkenntnisse der letzten Jahre auf deren sehr komplexe Biologie. Dabei sind Krebszellen in nicht entartete Zellverbände, bestehend aus Fibroblasten, Pericyten, Endothelzellen sowie entzündungsauslösende Immunzellen eingebettet, die maßgeblich an der Bildung des Tumormikromilieus beteiligt sind, welches insbesondere bei der Tumorgenese und Metastasierung eine entscheidende Rolle spielt. Hanahan und Weinberg entwickelten ein Konzept zur Klassifizierung sogenannter "Hallmarks of Cancer" die das komplexe Zusammenspiel auf wenige grundlegende und allgemeingültige Organisationsprinzipien zurückführen. Die Verbesserung des Verhältnisses von Tumorerkrankungen soll dazu beitragen neue und effektivere Strategien für deren Therapie zu entwickeln. Besonders die Entwicklung weg vom standardisiertenTherapieverfahren hin zu einer zielgerichteten und auf den jeweiligen Patienten zugeschnittenen "individualisierten" Behandlung gewinnt in der Pharmazie zunehmend an Bedeutung. Von großem Interesse hierbei sind, Molekülstrukturen, die basierend auf supramolekularen Bindungsmotiven mit einer hohen Spezifität und Selektivität an Zielstrukturen im entarteten Gewebe binden. Eine Substanzklasse, die dabei im Fokus des pharmazeutischen Interesses steht, sind monoklonale Antikörper (mAk). Angesichts ihrer hohen Affinität gegenüber bestimmten Epitopen tumorassoziierter Antigene sind sie unter anderem in der Lage, tumorspezifische Signalwege zu beeinflussen und so das Tumorwachstum zu hemmen.

Als erste klinisch zugelassene Radioimmuntherapeutika werden die beiden radioaktiv markierten Antikörperpräparate Zevalin ([90Y]Y-ibritumomab tiuxetan) und Bexxar ([131I]I-tositumomab) bereits mit großem Erfolg zur ergänzenden Behandlung von Non-Hodgkin's Lymphomen angewandt. Mittels ionisierender Strahlung hervorgerufene DNA-Doppelstrangbrüche stellen dabei das eigentliche zellinaktivierende Ereignis dar. Der Vorteil einer solchen Radioimmuntherapie besteht vor allem darin, metastasierende Tumorerkrankungen zu behandeln, welche mit den klassischen Verfahren wie Chirurgie oder externer Bestrahlung nur schwer zu erfassen sind. Dennoch ist der Einsatz radioaktiv markierter monoklonaler Antikörper vor allem bei der Behandlung strahlenresistenter solider Tumore, trotz ihrer hervorragenden Bindungseigenschaften, limitiert. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass aufgrund ihrer hohen Blutverweildauer und nur langsamen Anreicherung im Zielgewebe, bedingt durch ihre Molekülgröße, der gesamte Organismus einer hohen Strahlenbelastung ausgesetzt wird.

Eine Alternative dazu stellt die Strategie des Pretargeting von Tumoren dar. Wie schematisch in Abbildung 1 am Konzept komplementärer Oligonukleotid-Bausteine gezeigt, besteht die Intention dieses Prinzips darin, mittels einer mehrstufigen Applikationsfolge die Injektion eines targetspezifischen Antikörper-Konjugates und einer kleinen radioaktiv markierten Verbindung zu trennen, welche zueinander ein komplementäres System bilden. Aufgrund der hohen Blutverweildauer wird das Antikörper-Konjugat zur Anreicherung im Tumorgewebe bereits einige Tage vor der eigentlichen Radionuklidanwendung appliziert. Nicht am Antigen gebundene Antikörper-Konjugate werden innerhalb der Wartezeit aus der Blutbahn eliminiert. Erst dann erfolgt in einem zweiten Schritt die Injektion der radioaktiv markierten komplementären Verbindung, welche nach kurzer Verteilungsphase am im Tumor lokalisierten Antikörper-Konjugat hybridisiert. Für eine möglichst geringe Strahlenbelastung sollte sich die radioaktiv markierte Verbindung durch eine schnelle Verteilung im Organismus, einer vorwiegend renalen Ausscheidungscharakteristik sowie einer sehr hohen Affinität und schnellen Bindungskinetik zum im Zielgewebe lokalisierten Antikörper-Konjugat auszeichnen. Besonders die schnelle renale Elimination solch kleiner Moleküle ist die Hauptursache für die deutlich geringere Strahlenbelastung des Gesamtorganismus gegenüber der konventionellen Radioimmuntherapie.

  • Doctoral thesis
    TU Dresden, 2015
    Mentor: Prof. Jörg Steinbach
    214 Seiten

Permalink: https://www.hzdr.de/publications/Publ-22939