F rederick Fasslrinner hat gerade erst wieder erlebt, wa- rum die Forschung mit seiner Kollegin Claudia Arndt so wichtig ist. Der Arzt arbeitet in der Hämatologie der Uniklinik Dresden, hatte Nachtdienst und betreute einen Leukämie- Patienten, der mit der CAR-T-Zelltherapie behandelt worden war. Diese neue Therapieform ist weltweit im Vormarsch und erzielt beeindruckende Erfolge gegen Krebs. Doch der Preis ist für einige Patienten sehr hoch, weil es zu heftigen Neben- wirkungen kommen kann, sodass sie auf der Intensivstation landen: „Ihm ging’s nicht gut. Er hat hohes Fieber bekommen, niedrigen Blutdruck, Luftnot, alles Anzeichen eines Zytokin- Freisetzung-Syndroms als Reaktion auf die Therapie”, sagt Fasslrinner. Das Immunsystem reagiert über und flutet den Körper mit Zytokinen, entzündungsauslösenden Botenstoffen, die den Körper in dieser Menge überfordern können. Ein be- kanntes Problem bei der CAR-T-Zelltherapie, die bisher nicht wirklich kontrollierbar ist. Das soll sich künftig ändern. Und daran arbeiten in Dresden zahllose Forscherinnen. Zwei von ihnen – die Wissenschaftlerin Claudia Arndt und der Arzt Frederick Fasslrinner – leiten gemeinsam seit 2020 eine Nachwuchsforschungsgruppe am Institut für Radiopharma- zeutische Krebsforschung des Helmholtz-Zentrums Dresden- Rossendorf. Das Forschungstandem wird durch das Mildred- Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) der Medizinischen Fakultät des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden gefördert. Das MSNZ gehört zu einem deutschlandweiten Förderprogramm der Deutschen Krebshilfe im Bereich der Präzisionsonkologie. Unterstützt werden mit dem Programm in Dresden wissenschaftliche Duos, bei dem eine Person aus dem medizinisch-klinischen Bereich kommt und die andere aus der Grundlagenforschung. Die junge Forschungsgruppe um Arndt und Fasslrinner setzt sich aus einem sechsköpfigen Team aus Medizinern, Biologinnen und Chemikern zusammen, die sich auf die T-Zell-basierte Therapie einer Form des Blutkrebses, der akuten myeloischen Leukämie (AML), fokussiert haben. Die Wissenschaftlerin in diesem Forschungstandem, Clau- dia Arndt, arbeitet bereits seit über zehn Jahren daran, dass die CAR-T-Zelltherapie sicherer und effektiver wird. Sie ist Expertin in Tumor-Immunologie und seit sieben Jahren Wis- senschaftlerin am HZDR. Hier gehört sie zur Abteilung von Michael Bachmann, dem Erfinder der sogenannten UniCAR- Therapie, an deren Entwicklung auch Arndt in den letzten Jahren beteiligt war. Diese Weiterentwicklung soll die CAR-T- Zelltherapie wesentlich verbessern und wird gerade in einer weltweit ersten klinischen Phase-1-Studie an Leukämie- Patienten getestet – nach Jahrzehnten mühevoller Grund- lagenforschung durch Bachmann und seine Kolleginnen. UniCAR macht CAR-T-Zellen kontrollierbar CAR steht für Chimeric Antigen Receptor und ist eine neue Form der Immuntherapie gegen Krebs, neben den bekannten Therapieansätzen wie Chemo- oder Strahlentherapie. Dabei werden gezielt die T-Zellen des Immunsystems eines Patien- ten gentechnologisch aufgerüstet, nachdem sie aus seinem Blut gewonnen wurden. Durch die Bearbeitung präsentieren diese Immunzellen, die landläufig als weiße Blutkörperchen bekannt sind, auf ihrer Oberfläche spezielle Antikörper-Rezep- toren, die an Proteine – den Antigenen – auf der Oberfläche Forschung 29 von Krebszellen binden und die sie dann zerstören können. „Die CAR-T-Zelle, die aber einmal im Körper ist, kann nicht mehr groß von außen beeinflusst werden”, beschreibt Fassl- rinner das grundlegende Problem. Genau diesen Umstand löst das schaltbare UniCAR-System. „Anstatt die T-Zellen so zu verändern, dass sie einen passgenauen Rezeptor für Krebszel- len präsentieren, ist der Schlüssel des UniCAR-Systems ein austauschbares Bindeglied. Nur über dieses können UniCAR- T-Zellen an Tumorzellen andocken“, erläutert Arndt. Der Vorteil: Dank dieser Kombination aus UniCAR-T-Zelle und dem Bindeglied, dem sogenannten Targetmodul, können Me- dizinerinnen die Aktivität von UniCAR-T-Zellen therapeutisch steuern und „das lebendige Medikament“ gegebenenfalls auch ein- und ausschalten, ohne es zu zerstören. Die kurzle- bigen Targetmodule werden aus dem Körper ausgeschieden und müssen daher immer wieder neu nachgepumpt werden, einfach über die Infusion, an der die Patientin hängt. Sobald die Pumpe ausgeschaltet wird, weil etwa die Nebenwirkungen zu stark werden, stoppt der Nachschub. „Und so hoffen wir, Patienten auch vor schwerwiegenden Nebenwirkungen auf der Intensivstation bewahren zu können”, erläutert Claudia Arndt. Kennengelernt haben sich Fasslrinner und Arndt bereits 2017. Damals arbeiteten sie bereits erfolgreich an einem gemein- samen Forschungsprojekt, das die UniCAR-T-Zelltherapie mit neuen Medikamenten für die Blutkrebsbehandlung kombi- niert. Dabei haben die beiden eines während ihrer gemein- samen Arbeit gelernt: „Um die Brücke zwischen Medizin und Forschung zu schlagen, ist eine gute Kommunikation die Basis”, meint Arndt. „Nur über ein austausch- bares Bindeglied können UniCAR-T-Zellen an Tumorzellen andocken.“ Claudia Arndt, HZDR Versteckte Krebszellen aufspüren „Die Vision unser Forschungsgruppe ist es, den aktuellen Goldstandard der Therapie der akuten myeloischen Leukämie, die Stammzell-Therapie, mit der UniCAR-T-Zelltherapie zusam- menzubringen”, formulieren Arndt und Fasslrinner ihr hochge- stecktes Ziel. Denn auch bei der Stammzell-Transplantation kann es immer wieder vorkommen, dass der Krebs nicht vollständig vernichtet wird. Hartnäckige Krebsstammzellen verstecken sich irgendwo im Körper und beginnen, sich nach einer gewissen Zeit erneut auszubreiten. Frederick Fassl- rinner hatte gerade in der Nacht zuvor ein Gespräch mit einer Patientin erlebt: „Sie hat gekämpft gegen die Erkrankung, hat all ihre Kraft da reingesteckt und hatte große Hoffnung, und