Zum Komplexbildungsverhalten ausgewählter Actiniden (U, Np, Cm) mit mikrobiellen Bioliganden


Zum Komplexbildungsverhalten ausgewählter Actiniden (U, Np, Cm) mit mikrobiellen Bioliganden

Glorius, M.

Diese Arbeit war ein eigenständiger Teil eines Projektes, welches sich mit der Aufklärung des Einflusses von Mikroorganismen auf die Ausbreitung von Actiniden bei einer Freisetzung dieser aus dem Endlager beschäftigt. Dabei wurde der Einfluss von mikrobiell produzierten Substanzen auf die Mobilisierung ausgewählter Actiniden untersucht. Die in diesem Projekt untersuchten mikrobiell produzierten Substanzen, sogenannte Bioliganden, wurden von Bakterien des Genus Pseudomonas unter speziellen Bedingungen produziert. Die von den Pseudomonaden freigesetzten Bioliganden, hier Siderophore vom Pyoverdin-Typ, haben ein hohes Potential, Metalle, insbesondere Eisen(III), zu komplexieren und so zu transportieren. Es wurde untersucht, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen diese Bioliganden in der Lage sind, auch radioaktive Schadstoffe zu komplexieren und damit zu mobilisieren. Für die Untersuchungen wurden die α-strahlenden Actiniden Uran, Curium und Neptunium ausgewählt, weil diese auf Grund ihrer Langlebigkeit und Radiotoxizität von besonderem Interesse sind.
Diese Arbeit beschäftigte sich mit der Wechselwirkung der Actiniden U(VI), Np(V) und Cm(III) mit Modellliganden, die die Funktionalitäten der Pyoverdine simulieren. Für die Metallbindung der Pyoverdine sind die Katecholgruppe des Chromophors und die funktionellen Gruppen der Peptidkette (Hydroxamsäuregruppen und α-Hydroxysäurereste) verantwortlich. Für die Simulation der Hydroxamsäuregruppen kamen dabei die Monohydroxamate Salicylhydroxamsäure (SHA) und Benzohydroxamsäure (BHA) und das natürliche Trihydroxamat Desferrioxamin B (DFO) zum Einsatz und für die Katecholgruppe das 6-Hydroxychinolin (6HQ) und 2,3-Dihydroxynaphthalin (NAP). Als Vergleichsligand wurde außerdem Benzoesäure (BA) untersucht. Für die Bestimmung der Stabilitätskonstanten zur Einschätzung der Stärke der gebildeten Komplexe, die Aufklärung der Struktur der Actinid-Ligand-Verbindungen und die Verfolgung der Änderung der Speziation der Actiniden vor und nach der Wechselwirkung mit den Modellliganden kamen verschiedene spektroskopische Verfahren wie Absorptionsspektroskopie, Laserfluoreszenzspektroskopie,
Röntgenabsorptionsspektroskopie und Schwingungsspektroskopie zum Einsatz. Außerdem wurden erstmals theoretische Modellierungen zur Aufklärung der Struktur der Actinid-Modellligand-Komplexe durchgeführt.
Die Ziele dieser Arbeit waren also die spektroskopische Charakterisierung und Bestimmung der Speziation und Komplexbildungskonstanten sowohl der ausgewählten Modellliganden als auch der gebildeten Actinid-Modellligand-Komplexe, die Aufklärung möglicher Strukturen der Komplexe sowie ein Vergleich der Ergebnisse mit denen der Pyoverdine.
Der Vergleich der Stabilitätskonstanten der untersuchten Liganden mit den drei Actiniden U(VI), Cm(III) und Np(V) ergab im Wesentlichen folgende Reihenfolge der Komplexstärke:
PYO ≥ DFO > NAP > 6HQ > SHA ≥ BHA > BA.
Benzoesäure besitzt als einziger Ligand eine Carboxylfunktionalität und weist mit 103 die geringste Stabilitätskonstante auf. Die beiden Monohydroxamate SHA und BHA bilden mit allen drei Actiniden ähnlich starke 1:1-Komplexe. Bei den 1:2-Komplexen besitzt SHA mit Cm(III) und Np(V) etwas höhere Stabilitätskonstanten als BHA, wahrscheinlich verursacht durch einen stabilisierenden Einfluss der zusätzlichen phenolischen OH-Gruppe. Dieser Trend wurde auch in den theoretischen Modellierungen für die U(VI)-Komplexe beobachtet. Die natürlichen Siderophore DFO und PYO bilden die stärksten Komplexe mit den Actiniden (Stabilitätskonstanten von 1012 bis 1034). Dies liegt in der Struktur und der hohen Anzahl an funktionellen Gruppen begründet; DFO besitzt drei Hydroxamatgruppen, das Pyoverdinmolekül neben den Hydroxamatgruppen noch die Katecholgruppen der Chromophorfunktionalität. Die Modellliganden für die Chromophorfunktionalität, NAP und 6HQ, bilden stärkere Komplexe als die Monohydroxamate SHA und BHA, aber schwächere Komplexe als DFO und PYO. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Chromophorfunktionalität eine wichtige Rolle bei der Anbindung der Actiniden an die Pyoverdine spielt.
Der Vergleich der Stabilitätskonstanten der Komplexe der Liganden SHA, BHA und 6HQ mit den drei untersuchten Actiniden U(VI), Cm(III) und Np(V) untereinander zeigte, dass die Stärke der Komplexe von U(VI) über Cm(III) zu Np(V) abnimmt. Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen Ladungsdichten der Actinidionen. Während das UO22+-Ion mit einer Koordinationszahl von 5 und einem Ionenradius von ~ 0.6 eine effektive Ladung von + 3.3 besitzt, hat das Cm3+-Ion eine effektive Ladung von + 2.6 und das NpO2+-Ion von + 2.3. Damit besitzt das NpO2+-Ion die geringste Ladungsdichte der untersuchten Actinidionen und bildet damit auch die schwächsten Komplexe mit den niedrigsten Stabilitätskonstanten. Die Stärke der Komplexe der Liganden NAP, DFO und PYO nimmt von Cm(III) über U(VI) zu Np(V) ab. Obwohl Cm(III) eine geringere effektive Ladung als U(VI) hat, bildet es stärkere Komplexe als U(VI). Eventuell sind dafür strukturelle Behinderungen der Koordination durch die lineare O=U=O Einheit verantwortlich.
In einer Kooperation mit dem Institut für Theoretische Chemie der Universität zu Köln wurden für die 1:1- und 1:2-Komplexe der wässrigen U(VI)-SHA-, U(VI)-BHA- und U(VI)-BA-Systeme erstmals theoretische Modellierungen durchgeführt. Dabei wurden die Strukturen der Komplexe sowohl in der Gasphase als auch unter Berücksichtigung der Solvatation optimiert und die relativen Stabilitäten und Anregungsspektren berechnet. Die mit DFT berechneten Bindungsenergien bestätigen die experimentell anhand der Stabilitätskonstanten log β ermittelte Reihenfolge der Komplexstabilitäten (SHA ≥ BHA > BA). Außerdem zeigen die höheren Bindungsenergien der 1:2-Komplexe, dass diese stabiler sind als die 1:1-Komplexe. Dies lässt sich auch anhand der experimentell ermittelten Stabilitätskonstanten nachweisen. Für den 1:1-Komplex des U(VI)-SHA-Systems konnte mit Hilfe der theoretischen Modellierung die strukturelle Anbindung des Uranylions an die Hydroxamsäuregruppe aufgeklärt werden. Der Vergleich der berechneten Strukturen, Bindungsenergien, Bindungslängen und Anregungsspektren der beiden möglichen Anbindungsmodi [O,O] und [N,O’] zeigte deutlich, dass das Uranylion bevorzugt über die beiden Sauerstoffatome der Hydroxamsäuregruppe, also den [O,O]-Modus, gebunden wird. Die Methode der DFT konnte also dazu beitragen, Defizite in der experimentellen Aufklärung der Komplexstruktur im Fall des U(VI)-SHA-Systems zu beheben.
Die Modellliganden und deren Komplexe mit U(VI), Cm(III) und Np(V) wurden zum größten Teil erstmals spektroskopisch charakterisiert sowie deren bisher weitgehend unbekannten Stabilitätskonstanten bestimmt. Außerdem konnte die Struktur der U(VI)-Hydroxamat-Komplexe mit Hilfe der ATR-FTIR-Spektroskopie und der theoretischen Modellierung aufgeklärt werden. Im Vergleich der Ergebnisse der Modellliganden mit denen der Pyoverdine konnte festgestellt werden, dass die Katecholfunktionalität der Pyoverdine eine große Rolle bei der Komplexierung mit den Actiniden spielen wird. Weiterhin ließen sich aus den Ergebnissen Schlussfolgerungen zur Stärke der gebildeten Actinid-Modellligand- und Actinid-Pyoverdin-Komplexe ziehen. Die Pyoverdine bildeten mit U(VI) Komplexe mit Stabilitätskonstanten bis 1030, mit Cm(III) bis 1032 und mit Np(V) bis 1020. Die wichtigsten, in höheren Konzentrationen vorkommenden anorganischen Komplexbildner in natürlichen Wässern sind das Hydroxidion OH- sowie das Carbonation CO32-. Diese besitzen eine hohe Komplexierungsfähigkeit und bilden mit den drei Actiniden U(VI), Cm(III) und Np(V) Komplexe mit Stabilitätskonstanten von 102 bis 1020. Der Vergleich der Konstanten von OH und CO32- mit denen der organischen, mikrobiellen Pyoverdin-Liganden zeigt, dass die Pyoverdine ähnlich starke bzw. teilweise stärkere Komplexe mit den Actiniden bilden als die anorganischen Komplexbildner. Daraus lässt sich ableiten, dass die Pyoverdine selbst in niedrigeren Konzentrationen ein hohes Potential besitzen, Actiniden in natürlichen Wässern zu binden und damit zu transportieren. Die untersuchten Bioliganden sind also in der Lage, bei Anwesenheit in der Natur in bestimmten Konzentrationen im Grundwasser Actiniden, z. B. durch Herauslösen aus Festphasen, zu mobilisieren. Damit können solche Bioliganden das Verhalten der Actiniden in der Umwelt entscheidend beeinflussen. Die Ergebnisse dieser Arbeit tragen dazu bei, den Einfluss der mikrobiellen Liganden auf die Mobilisierung und Ausbreitung der Actiniden besser einschätzen zu können. Damit können die Ergebnisse zur Quantifizierung des Mobilisierungseffekts der Actiniden durch freigesetzte Bioliganden im Nahfeld genutzt werden.

Keywords: Actiniden; Hydroxamsäure; Pyoverdin; Spektroskopie; Komplexierung; actinides; hydroxamic acids; pyoverdin; spectroscopy; complex formation

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  • Article, self-published (no contribution to HZDR-Annual report)
    Forschungszentrum Rossendorf 2009
    Dissertation
    152 Seiten
    ISSN: 1437-322X

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