Integritätsbewertung von Reaktordruckbehältern


Integritätsbewertung von Reaktordruckbehältern

Viehrig, H.-W.

Der RDB ist Teil der druckführenden Umschließung eines Kernreaktors und schließt den Reaktorkern mit nahezu dem gesamten radioaktiven Inventar ein. Er fungiert als Hauptbarriere gegen den Austritt von Radioaktivität in der Umgebung, er ist vielfältig mit anderen Komponenten eines Kernreaktors verflochten und sein Ausfall ist nicht durch andere Komponenten kompensierbar. Während des Betriebes kommt es zu zeitabhängigen Veränderungen der Eigenschaften des RDB, die unter dem Begriff Alterung zusammengefasst werden. Im engeren Sinne ist Alterung dabei als die Degradation der Werkstoffeigenschaften infolge von Temperatur (thermische Alterung), Korrosion, Verschleiß oder Bestrahlung (Strahlenversprödung) aufzufassen. In einem weiteren Sinne ist Alterung auch als konzeptionelle und technologische Alterung zu verstehen, die letztlich aus der Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik resultiert. Derartige Alterungserscheinungen sind zu erfassen und durch geeignete Gegenmaßnahmen zu kompensieren oder wenigstens angemessen zu berücksichtigen, um Betriebsdauer und Sicherheitsniveau der Anlage abzusichern. Die uneingeschränkte Nutzung eines RDB bis zum Ende der Betriebsdauer des KKWs auf einem unverändert hohen Sicherheitsniveau ist nur durch ein ganzheitliches und umfassendes Programm von Maßnahmen und Instrumentarien zu gewährleisten. Entscheidend werden dafür die Weichen bereits bei der Auslegung gestellt, indem hochzähe, strahlenversprödungsresistente Werkstoffe verwendet werden, die Neutronenbelastung durch einen ausreichend breiten Wasserspalt reduziert wird, die fortschreitende Materialalterung durch ein gut konzipiertes repräsentatives Überwachungsprogramm erfasst und Herstellung und Konstruktion gute Prüfbarkeit ebenso wie die Vermeidung von Spannungsdiskontinuitäten absichern. Betriebliche Maßnahmen können die Beanspruchung bei Betrieb oder im Störfall reduzieren, die Neutronenflussdichte durch ein geeignetes Beladeregime senken oder mit aktualisierten Überwachungsprogrammen die Charakterisierung des Materialzustandes verbessern. Als ultimo ratio steht die Ausheilglühung zur Verfügung, deren Praktikabilität inzwi-schen bereits erwiesen ist. Mit vergleichsweise geringem Aufwand, aber hoher Effektivität sind Überwachungsmaßnahmen einzusetzen. Die wiederkehrende ZfP mit verfeinerten Methoden, die immer kleinere Fehler mit Sicherheit nachzuweisen gestatten, liefert eine realistische Grundlage für die Belastungsanalyse, deren Konservativität mit verbesserten FEM-Modellen herabgesetzt werden kann. Diesem Ziel dienen auch genauere Neutronenfluenzbestimmungen oder die Qualifizierung des Messsystems zur Kontrolle der Betriebsbelastungen. Schließlich erweist sich nicht zuletzt die Einführung neuer Konzepte zur Sprödbruchsicherheitsanalyse als wertvoll. Als ein hinsichtlich seiner Einführung bereits fortgeschrittenes Beispiel dieser Art wurde das Master-Curve-Konzept nach Wallin vorgestellt. Dieses Konzept wird gegenwärtig zur Bestimmung einer bruchmechanisch definierten Übergangstemperatur benutzt, mit der die KIc-Universalkurve der Regelwerke materialspezifisch auf der Temperaturachse positioniert werden kann. Die so ermittelten Referenztemperaturen liegen ca. 40 - 60 K niedriger als die bisher verwendeten Referenztemperaturen, die auf den NDT- oder den Charpy-V-Übergangstemperaturen beruhen. Auf diese Weise kann eine unnötige Konservativität der Bewertung abgebaut werden. Das wurde bereits in realen Anwendungsfällen zweifelsfrei nachgewiesen.

Keywords: nuclear power plant; reactor pressure vessel; operation time; integrity assessment; pressurized thermal shock; fracture toughness; Master Curve Concept; neutron embrittlement; surveillance programme; trend curve; aging; thermal annealing

  • Invited lecture (Conferences)
    124. Sitzung des Arbeitskreises Dresden der Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung e.V., 27.10.2005, Dresden, Germany

Permalink: https://www.hzdr.de/publications/Publ-7758