Porträt 31 Mit den richtigen magnetokalorischen Legierungen, hofft der Physiker, lässt sich diese Lücke schließen. Vielleicht machen magnetische Kühlmittel die Wasserstoff- und Methanver- flüssigung künftig sogar deutlich kostengünstiger. Wenn das gelingt, wäre das ein großer Schritt für die Energiewende: Flüssiger Wasserstoff ist eine elegante Art, Strom aus Sonne oder Wind zu speichern. Sogar Autos können damit fahren. Hoch wärmeisolierte Tanks dafür gibt es bereits. Publikationen: T. Gottschall, A. Gràcia-Condal, M. Fries, A. Taubel, L. Pfeuffer, L. Mañosa, A. Planes, K.P. Skokov, O. Gutfleisch: A multicaloric cooling cycle that exploits thermal hysteresis, in Nature Materials, 2018 (DOI: 10.1038/s41563-018-0166-6) T. Gottschall, D. Benke, M. Fries, A. Taubel, I. A. Radulov, K. P. Skokov, O. Gutfleisch: A matter of size and stress: Under- standing the first-order transition in materials for solid-state refrigeration, in Advanced Functional Materials, 2017 (DOI: 10.1002/adfm.201606735) O. Gutfleisch, T. Gottschall, M. Fries, D. Benke, I.A. Radulov, K.P. Skokov, H. Wende, M. Gruner, M. Acet, P. Entel, M. Farle: Mastering hysteresis in magnetocaloric materials, in Philoso- phical Transactions of the Royal Society, 2016 (DOI: 10.1098/ rsta.2015.0308) T. Gottschall, K.P. Skokov, F. Scheibel, M. Acet, M. Ghorbani- Zavareh, Y. Skourski, J. Wosnitza, M. Farle, O. Gutfleisch: Dy- namical effects of the martensitic transition in magnetocaloric Heusler alloys from direct Δtad measurements under different magnetic-field-sweep rates, in Physical Review Applied, 2016 (DOI: 10.1103/PhysRevApplied.5.024013) Kontakt _Hochfeld-Magnetlabor Dresden am HZDR Dr. Tino Gottschall t.gottschall@hzdr.de Deutsch-russische Kooperation Um seine Untersuchungen zur magnetischen Kühlung zu unterstützen, haben die Russian Science Founda- tion und die Helmholtz-Gemeinschaft Tino Gottschall in ein gemeinsames Förderprogramm aufgenom- men. Der mhysiker erhält dadurch für drei Jahre rund 780.000 Euro. Das mrogramm will die wissenschaftli- che Vernetzung zwischen den beiden Ländern stärken. An den ausgewählten mrojekten sind deswegen jeweils Forscher eines Helmholtz-Zentrums und eines russischen martners beteiligt. Tino Gottschall bringt in seinem Vorhaben Wissenschaftler aus Dresden, Darmstadt und Chelyabinsk zusammen. Neben ihm wurde am HZDR außerdem Frank Stefani mit der För- derung ausgezeichnet. Der mhysiker vom Institut für Fluiddynamik will gemeinsam mit martnern aus merm und Moskau Strömungsinstabilitäten untersuchen, die sowohl in neuen Flüssigmetall-Batterien als auch im Magnetfeld der Sonne auftauchen. die beiden Kristallformen unterscheiden sich in Dichte und Volumen: die magnetische Phase ist größer. Das brachte Gott- schall und Gutfleisch auf eine Idee. Mechanischer Druck lässt die Kühlkristalle wieder auf Originalgröße schrumpfen. Gleich- zeitig entmagnetisieren und erwärmen sie sich. Die Wärme- energie, die sie zuvor dem Kühlgut entzogen haben, müssen sie jetzt an die Umgebung abgeben – dann kann der Kreislauf von neuem beginnen. Eine magnetische Wärmepumpe. Während seiner Postdoc-Zeit an der Universität Barcelona konnte Gottschall experimentell nachweisen, dass Abkühlung und Erwärmung, Magnetisierung und Entmagnetisierung tat- sächlich reversibel ablaufen und sich beliebig oft wiederholen lassen. Jetzt baut Gutfleisch an der TU Darmstadt mit Mitteln des Europäischen Forschungsrates einen Demonstrator auf. Mit seiner Hilfe können die Forscher abschätzen, welchen Energiebedarf produktionsreife Geräte voraussichtlich haben und mit welchen Materialkosten zu rechnen ist. Vielleicht sogar Wasserstoff Am HZDR möchte Tino Gottschall noch mehr Materialien finden – mit möglichst großem magnetokalorischen Effekt und unterschiedlichen Umwandlungstemperaturen, bis in den Bereich flüssiger Luft oder sogar noch weiter Richtung des absoluten Nullpunktes. Wasserstoff siedet bei -252 Grad Cel- sius. „In flüssiger Form lässt er sich deutlich einfacher lagern und transportieren, aber mit heutigen Methoden geht bis zu einem Drittel der im Wasserstoff gespeicherten Energie durch die Verflüssigung verloren“, rechnet Gottschall vor: „Unterhalb -120 Grad Celsius beginnt die Wirksamkeit heutiger Kühlver- fahren drastisch zu sinken. Ab -196 Grad – der Temperatur flüssiger Luft – klafft obendrein eine technologische Lücke bis zur sehr teuren Heliumverflüssigung.“