INSIDER-Newsletter 05, August 2022

„Der Kalte Bach ist für mich eine Wundertüte“

Was lebt in Tümpel, Bach und Weiher? Dieser Frage gingen am 25. und 26 Juli 2022 Schüler*innen der Jahrgangsstufen vier bis acht am HZDR nach. Beim „Summer of Science“, dem kostenlosen Ferienprogramm des HZDR-Schülerlabors DeltaX, nahmen sie die Gewässer auf dem Campus buchstäblich unter die Lupe, um Organismen zu entdecken und sie zu bestimmen. Mit viel Fachwissen und großer Leidenschaft fürs Thema stand ihnen Prof. Willi Xylander zur Seite, der die Freilandexkursion gemeinsam mit seiner Frau Helga Zumkowski-Xylander leitete. Warum er den Weg aus Görlitz nun schon zum zweiten Mal auf sich genommen hat und welche anderen Formen der Zusammenarbeit mit dem HZDR möglich sind, verrät der Direktor des Senckenberg Museums für Naturkunde im Interview.

Foto: Prof. Willi Xylander mit Teilnehmer*innen der DeltaX-Umwelttage ©Copyright: HZDR / Tobias Kozlowski

Prof. Willi Xylander (li.) mit Teilnehmer*innen der DeltaX-Umwelttage

Bild: HZDR / Tobias Kozlowski

Herr Xylander, was haben Sie heute bei den „Umwelttagen Wasser“ mit den Schüler*innen unternommen?

Wir haben ein Fließgewässer auf dem HZDR-Gelände untersucht, den „Kalten Bach“, und nachgeschaut, welche Tiere darin vorkommen. Die Kinder haben mehr als 20 Arten entdeckt – etwa Flohkrebse, Plattwürmer und Großlibellenlarven – und ich habe anhand dieser Funde verschiedene Aspekte der Biologie erklärt. Zum Beispiel warum bestimmte Arten dort leben und andere nicht. Außerdem hat uns interessiert, was man angesichts einer solchen Lebensgemeinschaft über die Wasserqualität sagen kann. Dabei ist rausgekommen: Für diese Region ist der „Kalte Bach“ ein ganz ordentliches Gewässer. Die hohe Artenvielfalt ist ein Beleg dafür.

Das freut uns zu hören. Haben Sie auch etwas Außergewöhnliches entdeckt?

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass alle Kinder ganz toll mitgemacht und gesucht haben. In einem Zeitraum von nur einer Stunde so viele Arten festzustellen, ist für Laien eine großartige Leistung. Eine Besonderheit war das Vorkommen einer Steinfliegenart, die wir im vergangenen Jahr noch nicht entdeckt hatten. Sie ist auch ein Indiz für eine gute Wasserqualität. Ich persönlich habe mich über den Fund der Hakenkäferlarve gefreut, die sehe ich selbst nicht allzu oft. Ein Lebensraum wie der Kalte Bach ist für mich wie eine Wundertüte. Wenn man reinschaut, stellt man fest: Da steckt viel mehr an biologischen Geschichten und auch Erkenntnissen über den Einfluss des Menschen drin, als man erwarten würde. Das wollten wir den Kindern heute in einem kleinen Spektrum näherbringen.

Wie ist die Kooperation mit DeltaX bei den Umwelttagen eigentlich zustande gekommen?

Das Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz ist als Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft auch ein Forschungsinstitut. Als solches sind wir um einen starken „Outreach“-Charakter bemüht, was bedeutet, dass wir unsere wissenschaftlichen Ergebnisse an eine breite Öffentlichkeit weitergeben wollen. Neben Wanderausstellungen, Vortragsreihen und Exkursionen zählen dazu auch museumspädagogische Angebote. Im vergangenen Jahr hat sich unsere Museumspädagogin in mehreren Gesprächen mit Nadja Gneist vom Schülerlabor ausgetauscht und so hat sich die Zusammenarbeit ergeben. Außerdem haben wir gemeinsam zwei Experimentiersafaris zu den Themen „Vulkanismus und Fossilien" und „Welt der Insekten“ angeboten. Es hat uns und dem DeltaX-Team von Anfang an viel Spaß gemacht. Deshalb wollten beide Seiten die Kooperation in diesem Jahr unbedingt fortsetzen.

Apropos Zusammenarbeit: Mit dem Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) sitzt eines der HZDR-Institute in Görlitz. Ist auch eine Partnerschaft mit CASUS möglich?

Wir haben tatsächlich schon einen Kooperationsvertrag mit dem CASUS und arbeiten an einem gemeinsamen Drittmittelprojekt. Hintergrund ist, dass das Senckenberg Museum für Naturkunde im Laufe der letzten zehn Jahre die größte europäische Datenbank für Bodentiere zusammengestellt hat. Inzwischen sind wir bei rund sieben Millionen Datensätzen angekommen. Mithilfe der Expertise im Bereich der Systemforschung, die CASUS besitzt, können wir Qualitätsparameter feststellen und weitere Berechnungen anstellen. Unter anderem wollen wir auf diese Weise Prognosen ableiten, was mit den Arten passiert, wenn das Klima immer heißer wird. Auch beim Thema „Outreach“ sehe ich Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Zum Beispiel kann ich mir gut vorstellen, dass unsere Ausstellungen bestimmte Forschungsthemen aus dem HZDR aufgreifen und aufarbeiten.


Willi Xylander ist Zoologe mit den Schwerpunkten Arthropoda (Gliederfüßer), Plathelminthes (Plattwürmer), Bodenorganismen, Phylogenese (stammesgeschichtliche Entwicklung), Systematik und Taxonomie von Wirbellosen, Ökologie und Museologie. Er ist Direktor des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz und Professor für Spezielle Zoologie (Wirbellose) an der TU Dresden. Im Jahr 2022 wurde er mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.


Kontakt:

Nadja Gneist
Schülerlabor DeltaX am HZDR
Tel.: +49 351 260 2272 | n.gneist@hzdr.de