Tierversuche in der Forschung

Tierversuche sind in der medizinischen und biologischen Grundlagenforschung unabdingbar. Umso wichtiger ist es, sowohl die Anzahl der Tierversuche als auch die Belastung für die Versuchstiere zu minimieren. Am HZDR wird in jeden Einzelfall geprüft, ob zur Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellung tatsächlich Versuche mit Tieren erforderlich sind oder alternativ mit Zell- und Gewebekulturen, Computermodellen oder anderen Ersatzmethoden gearbeitet werden kann.

Beispiele für Forschung mit Tierversuchen am HZDR
3R-Prinzip
Genehmigungsverfahren
Tierpflege am HZDR

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Beispiele für Forschung mit Tierversuchen am HZDR

Mehr Angriffspunkte an der Oberfläche von Tumorzellen für eine optimierte Therapie mit radioaktiven Nukliden

Ein Phäochromozytom ist ein Tumor der Nebenniere. Hat solch ein Tumor bereits Metastasen ausgebildet, kann ein radioaktives Präparat die im Körper gestreuten, bösartigen Zellen aufspüren und von innen bestrahlen. Nicht jeder Tumor präsentiert jedoch genügend Zielmoleküle, an die das Präparat mit dem Betastrahler Lutetium-177 andocken kann. Dann reicht die Strahlendosis oft nicht aus, um den Krebs einzudämmen. Mithilfe einer der Therapie vorgeschalteten Gabe von zwei zugelassenen Arzneimitteln konnte eine Forschungsgruppe am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) im Mausmodell die Anzahl der Zielmoleküle für die Radionuklid-Therapie erhöhen und so das Tumorwachstum anhalten.

Mission: seltene Krebserkrankungen

Biomaterialien als Wirkstoff-Depots für die Tumortherapie

Konventionelle, systemisch applizierte Chemotherapien bedeuten meist eine sehr große Belastung für die Patient*innen, da sie mit gravierenden Nebenwirkungen, wie Nierenschäden, Hepatitis, Übelkeit oder Unfruchtbarkeit, einhergehen können. Forschende des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und des Center for Molecular Bioengineering der TU Dresden wollen daher Wirkstoff-Depots aus neuartigen Biomaterialien zur lokalen Freisetzung der Chemotherapeutika in direkter Nähe des Tumors einsetzen. Dadurch kann die Chemotherapie in niedrigeren Dosierungen und größeren Zeitabständen verabreicht werden, was die Nebenwirkungen deutlich reduziert. In einem Mausmodell des malignen Melanoms führte die lokale Freisetzung von Doxorubicin und Paclitaxel aus einem Biomaterial zu einer Verdopplung der Überlebenszeit der Mäuse im Vergleich zur herkömmlichen, systemischen Chemotherapie.

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3R-Prinzip

Täglich sterben weltweit circa 30.000 Menschen an Krebs. Am HZDR forschen Wissenschaftler*innen an neuen Methoden zur Bekämpfung der Volkskrankheit Krebs. Sie entwickeln beispielsweise radiomarkierte Substanzen sowohl für die Krebsdiagnostik als auch für eine systemische Radioligandentherapie. Auch patientenspezifische Immuntherapien rücken immer stärker in den Fokus. Nicht immer ist die Erforschung dieser neuen Methoden ohne Versuche am Tier möglich.

Mit Hilfe von Versuchstieren können komplexe Vorgänge im lebenden Organismus erfasst und verstanden werden. Die Forschenden eint aber die Achtung vor den Tieren und der Wille, die Zahl der Tierversuche auf ein Minimum zu beschränken.  

Bereits im Jahr 1959 formulierten der britische Zoologe William Russel und der Mikrobiologe Rex Burch in ihrem Buch „The Principles of Humane Experimental Technique“ das so genannte 3R-Prinzip. Die drei großen R „Replacement, Reduction, Refinement“ gelten heute als Standard und ethisches Prinzip der Arbeit mit den Versuchstieren und sind auch den Forschenden am HZDR Leitlinie ihres Handelns. Die Einhaltung des 3R-Prinzips ist zudem Voraussetzung dafür, dass Tierversuche von den zuständigen Behörden genehmigt werden.

Im Einzelnen bedeutet das 3R-Prinzip:

Replacement (Tierversuche vermeiden): Tierversuche durch andere Methoden ersetzen.

Geht es tatsächlich nicht ohne Tierversuch? Diese Frage stellen sich die Forschenden immer wieder neu und versuchen, wo möglich, auf Alternativmethoden zurückzugreifen. Es wird immer geprüft, ob es zur Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellung ausreicht, auf einfache Organismen wie Bakterien oder wirbellose Tiere zurückzugreifen oder Zell- und Gewebekulturen, Computermodelle oder andere Ersatzmethoden zu verwenden.

Reduction (Tierversuche reduzieren): So viele Tierversuche wie nötig, aber so wenig wie möglich.

Wenn es nicht möglich ist, auf einen Tierversuch zu verzichten, streben die Wissenschaftler*innen danach, die Anzahl der durchzuführenden Tierversuche sowie die Zahl der bei den Versuchen eingesetzten Tiere auf ein Minimum zu begrenzen. Eine professionelle Versuchsplanung trägt dazu genauso bei wie die Optimierung der Methodik und der statistischen Auswertung. Durch die zentrale Erfassung der Ergebnisse aus Tierversuchen und eine gute Abstimmung zwischen Wissenschaftler*innen, wird verhindert, dass ähnliche Versuche mehrmals durchgeführt werden.

Refinement (Verbesserung der Methoden): Die Belastung der Versuchstiere minimieren.

Die Tiere werden artgerecht gehalten, also mit genügend Platz und in einer Umgebung, die ihr Wohlbefinden fördert. Durch die ständige Verbesserung der Untersuchungsmethoden, wie Betäubung, Narkosen und spezielles Tiertraining, werden Stress und Leiden so weit wie möglich reduziert und ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität auf einem möglichst hohen Niveau gehalten.

Weitere Informationen:

https://www.tierversuche-verstehen.de/das3rprinzip/

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Genehmigungsverfahren

Jeder Tierversuch und jedes Versuchstier müssen schriftlich beantragt und genehmigt werden. Dazu sind neben dem Forschungsprojekt auch das Untersuchungsdesign sowie Art und Anzahl der Tiere ausführlich zu beschreiben. Darüber hinaus muss dargelegt werden, warum es keine Alternative zum Tierversuch gibt. Oft umfassen die Anträge bis zu 30 Seiten.

Der Antrag wird zunächst an die Tierschutzbeauftragte des HZDR geleitet, die ihn auf Plausibilität und Genehmigungsfähigkeit prüft. Falls Änderungen erforderlich sind, müssen die Wissenschaftler*innen den Antrag nochmals überarbeiten. Ist der Antrag final, wird er über den Vorstand des HZDR an die zuständige Behörde, die Landesdirektion Sachsen, Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung, weitergeleitet. Mit dem ausführlichen Verfahren wird sichergestellt, dass für jedes einzelne für Versuche verwendete Tier ein Antrag gestellt und ein Nachweis geführt wird. 

Im Detail ist das Genehmigungsverfahren nachzulesen unter https://www.tierversuche-verstehen.de/genehmigungsverfahren/  

Insgesamt kann die Beantragung vier bis sechs Monate dauern.

Die Leiter*innen der Versuche bzw. deren Stellvertreter*innen stellen sicher, dass die Versuchsdurchführung der Genehmigung entspricht und sind für die Einhaltung der geltenden Rechtsvorgaben verantwortlich.

Alle an tierexperimentellen Verfahren beteiligten Personen müssen ihre Sachkunde nachgewiesen haben und sind zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichtet.

Auch diese Vorgaben sind vorab im Antragsverfahren darzustellen.

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Tierpflege am HZDR

„Es ist uns wichtig, dass es den Tieren gut geht. Daran arbeiten hier alle.“

Eine Tierpflegemeisterin und ein Tierpfleger kümmern sich um die Tierhaltung am HZDR. Gemeinsam teilen sie sich Aufgaben wie die Fütterung, den Wechsel und die Reinigung der Käfige, das Messen und Wiegen der Tiere und vieles mehr. Täglich wird der Gesundheitszustand jeder einzelnen der aktuell rund 200 Mäuse (Stand Juni 2023) geprüft. „Es ist uns wichtig, dass es unseren Versuchstieren gut geht. Daran arbeiten hier alle.“

Doch das Zweierteam kümmert sich nicht nur um die Tierpflege. Es ist auch für zahlreiche logistische und organisatorische Aufgaben und Abläufe verantwortlich – angefangen von der Futterbestellung bis hin zur Einhaltung der Wartungspläne der modernen Geräte, wie Käfig-Waschmaschine, Autoklaven, Tierhaltungsschränke, belüftete Käfigsysteme.

Eröffnet im Jahr 2018 erfüllt die Tierhaltung am HZDR höchste technische Standards. Das gilt auch für die Arbeitsbedingungen des Personals.

Das Tierpflegeteam des HZDR kann auf eine jahrelange Berufserfahrung zurückblicken und hat viele Entwicklungen und Neuerungen aus nächster Nähe miterlebt. Kein Wunder, dass es in engem Kontakt zu den technischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen steht, die die Forschungsprojekte planen und durchführen. Das Tierpflegeteam wird frühzeitig einbezogen in Abstimmungen und Vorbereitungen zu den dann erforderlichen Tierversuchen. Ein Problem damit, Versuchstiere zu betreuen, haben Tierpflegemeisterin und Tierpfleger dabei nicht: „Wir sehen ja, wie verantwortungsbewusst hier alle mit den Versuchstieren umgehen. Und wir erleben, welche Hoffnungen die Menschen mit unseren Forschungsergebnissen verbinden. Dass beispielsweise Krebserkrankungen gelindert oder gar geheilt werden können, ist eine ganz starke Motivation für unsere Arbeit.“

Dafür gibt es klare Vorschriften. Diese einzuhalten, ist am HZDR für alle Kolleg*innen, die mit Versuchstieren arbeiten, eine Selbstverständlichkeit. Um immer auf dem neuesten Stand rund um gesetzliche Vorgaben und das Tierwohl zu sein, nimmt das Tierpflegeteam, genau wie alle anderen in der Tierhaltung tätigen Mitarbeiter*innen, regelmäßig an Fortbildungen teil und lässt die neuen Erkenntnisse wieder in die Arbeit einfließen.