Kühlmittelvermischung unter Naturumlaufbedingungen nach einem unterstellten Störfall mit kleinem Leck

Diese Arbeiten wurden im Auftrag des Sonderauschusses "Anlagentechnik" der VGB (Registrationsnummer: SA"AT" 23/04) vom 01.06.2004 bis zum 30.11.2006 durchgeführt.

Hintergrund

Die teilweise Entleerung des Primärkreislaufes während eines unterstellten Störfalls mit kleinem Leck kann zur Unterbrechung des einphasigen Naturumlaufs führen. In diesem Fall wird die Nachzerfallswärme des Kerns im Reflux-Condenser-Betrieb abgeführt. Experimente zu diesem Szenario an der Integralversuchsanlage PKL (AREVA Erlangen) haben gezeigt, dass sich schwachboriertes Kondensat in den Pumpenbögen vor allem der zwei Schleifen ansammeln kann, in die keine Notkühleinspeisung erfolgt. Nach dem Wiederauffüllen des Primärkreislaufes springt der Naturumlauf wieder an. Das minderborierte Kühlmittel wird dabei in Richtung Druckbehälter verschoben. Vermischung im Downcomer und im unteren Plenum ist ein wichtiges Phänomen zur Reduzierung des Reaktivitätseintrages in den Reaktorkern in diesem postulierten Szenario. Um diese Effekte zu quantifizieren, werden an der Rossendorfer Versuchsanlage ROCOM die stattfindenden Vermischungsprozesse untersucht.

ROCOM-Experimente zu einem ähnlichen Szenario, deren Randbedingungen auf Rechnungen mit dem Thermohydraulikprogramm ATHLET basieren, sind hier näher beschrieben.

Randbedingungen

Die Randbedingungen für die ROCOM-Experimente wurden aus einem der entsprechenden Experimente an der Versuchsanlage PKL abgeleitet. In zwei benachbarten Schleifen der ROCOM-Anlage wurden Pfropfen mit einem Volumen vorgelegt, das der Größe des Pumpenbogens und eines Teils der Austrittskammer des Dampferzeugers entspricht. Im PKL-Experiment startete der Naturumlauf zeitlich versetzt und mit unterschiedlichem Massenstrom. Aus konservativen Gründen wurde für das ROCOM-Experiment die Anlaufkurve mit dem höheren Wert übernommen und für beide Schleifen in identischer Weise vorgegeben. Im zugrundeliegenden Szenario wird Notkühlwasser über eine Schleife in den Reaktor eingespeist. An Schleife 3 der ROCOM-Anlage wurde ein maßstabsgetreuer Stutzen für das Notkühlwasser angebracht über den die entsprechende Menge eingespeist wird.

Die aus den Temperaturunterschieden resultierenden Dichteunterschiede zwischen Pfropfen, dem Umgebungswasser und dem eingespeisten Notkühlwasser spielen bei Naturumlaufbedingungen, wie sie in diesem Szenario vorliegen, eine entscheidende Rolle. Aufgrund der Tatsache, dass die Versuchsanlage nicht beheizt werden kann, wurden die notwendigen Dichteunterschiede durch die Zugabe von Zucker simuliert.

Ergebnisse

Die entscheidenden Vermischungsvorgänge finden im Downcomer der Versuchsanlage statt. Für eine verbesserte Visualisierung und Quantifizierung der Vermischung im Downcomer der Versuchsanlage wurde ein neuer Gittersensor entwickelt, der erstmals in den hier beschriebenen Experimenten zum Einsatz kam. Dieser Gittersensor bildet ein Netz aus 64 radialen und 32 axialen Messpunkten und erlaubt es, ein komplettes Bild der Vermischungsvorgänge im Downcomer zu erhalten.

In Abb. 1 sind zwei Schnappschüsse des abgewickelten Sensors im Downcomer dargestellt, auf der linken Seite die Borkonzentration zu einem bestimmten Zeitpunkt, rechts jeweils die Verteilung des Notkühlwassers zum selben Zeitpunkt. Aus dem ersten Bild wird deutlich, wie die leichteren Pfropfen das vorhandene Notkühlwasser verdrängen und sich im oberen Bereich des Downcomers anlagern. Das Bild zum späteren Zeitpunkt demonstriert, dass das Pfropfenwasser sich langsam im Downcomer nach unten ausbreitet. In das untere Plenum wird es vorzugsweise durch Beimischung an der Notkühlwassersträhne transportiert.


Schnappschüsse der Verteilung der Borkonzentration und des Notkühlwassers im Downcomer

Abb. 1: Schnappschüsse der Verteilung der Borkonzentration und des Notkühlwassers im Downcomer


Ungefähr 75 s nach Start der Transiente erreicht erstes minderboriertes Kühlmittel die Kerneintrittsebene. Diese erste Absenkung wird genau unter der Winkelposition der Schleife mit dem Notkühlwasser registriert. Das bestätigt die oben gemachten Aussagen, dass minderboriertes Kühlmittel im ersten Teil des Experiments nur über die Notkühlwassersträhne in Richtung unteres Plenum transportiert wird. Innerhalb der nächsten 150 s fällt die minimale Borkonzentration in der Kerneintrittsebene ab. Das Minimum wird bei t = 240 s mit 1688 ppm erreicht. Danach steigt die mittlere Borkonzentration in der Kerneintrittsebene langsam wieder an. Abb. 2 zeigt die gemessene Verteilung der Borkonzentration in der Kerneintrittsebene zu verschiedenen Zeitpunkten während des Pfropfendurchgangs.


Zeitsequenzen der Borkonzentration in der Kerneintrittsebene

Abb. 2: Zeitabhängige Verteilungen der Borkonzentration in der Kerneintrittsebene


Die Verteilung der Borkonzentration in der Kerneintrittsebene ist sehr heterogen. Ein Absinken der Borkonzentration unterhalb von 2300 ppm (d.h. eine Absenkung von mehr als 200 ppm) wird nur in den äußeren drei Reihen der Kerneintrittsebene registriert. Die Position des absoluten Minimums ist ein Brennelement in der äußersten Reihe.

Dieses Experiment zeigt somit eine deutliche Aufborierung der anfänglich nahezu borfreien Pfropfen beim Transport aus dem kalten Strang bis zur Kerneintrittsebene.

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Kontakt/Ansprechpartner

S. Kliem