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Lei­ter Computational Fluid Dynamics
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Gegenstrombegrenzung bei Reflux-Condenser-Betrieb im heißen Strang eines Druckwasserreaktors

Wissenschaftlicher Hintergrund

Beim Auftreten von Störfällen an Kernreaktoranlagen muss auch bei zusätzlichem Ausfall von Anlagenkomponenten die sichere Kühlung des Reaktorkerns stets gewährleistet sein. Ein dabei betrachtetes Störfallszenario ist ein kleines Leck im Primärkreislauf eines Druckwasserreaktors bei gleichzeitigem Versagen der Hochdruck-Notkühlmittel-Einspeisung nach Abschalten der Hauptkühlmittelpumpen. Im Verlauf dieses Szenarios stellt sich ein Naturumlauf zwischen dem „heißen“ Reaktordruckbehälter und dem „kalten“ höher angeordneten Dampferzeuger ein.

Dieser Effekt kühlt den Reaktorkern indem Wärme über die Dampferzeugerrohre an den Sekundärkreislauf übertragen wird. Da der Druck im Primärkreislauf auf Grund des Lecks absinkt, bildet sich im Reaktor Dampf, der ebenfalls zum Dampferzeuger strömt (zweiphasiger Naturumlauf) und dort kondensiert, so dass die Wärmeabfuhr auch weiterhin gewährleistet ist. Sinkt der Füllstand im Reaktordruckgefäß jedoch unter das Niveau der Hauptkühlmittelleitungen ab, strömt primärseitig nur noch Dampf zum Dampferzeuger, so dass der Naturumlauf zusammenbricht. Der Dampf kondensiert im Dampferzeuger weiterhin. Allerdings fließt das Kondensat jetzt ungefähr zur Hälfte aus den Dampferzeugerrohren im Gegenstrom zum Dampf im sogenannten „heißen Strang“ der Hauptkühlmittelleitungen zum Reaktordruckgefäß zurück. Dieses Regime wird als „Reflux-Condenser-Betrieb“ bezeichnet.

Die gegenläufige Strömung von Dampf und Kondensat in horizontalen Rohrleitungen ist nur für bestimmte Durchsätze stabil. Bei hohen Dampfströmen wird das Kondensat aufgestaut und es kommt zur Gegenstrombegrenzung. Hierbei reduziert sich die Kernkühlung und der Füllstand im Reaktordruckgefäß sinkt weiter ab, was zur Überhitzung des Reaktorkerns führen kann. Aus diesem Grund ist dieser Effekt bei der sicherheitstechnischen Auslegung von Kernanlagen zu berücksichtigen. Ein wichtiger Aspekt bei dieser Auslegung sind fluiddynamische Berechnungen mit dreidimensionalen Systemcodes. Damit diese Programme die Strömungseffekte mit der erforderlichen Genauigkeit geometrieunabhängig und in einem weiten Parameterbereich berechnen können, ist eine Validierung mit räumlich und zeitlich hochaufgelösten Messdaten erforderlich.


Versuchsaufbau

Um möglichst exakte Daten zur Gegenstrombegrenzung in horizontalen Kanälen zu bekommen, wurde im Drucktank der TOPFLOW-Versuchsanlage ein Model des „heißen Strangs“ eines Druckwasserreaktors inklusive der Dampferzeuger Eintrittskammer einer deutschen Reaktoranlage vom Typ „Konvoi“ im Maßstab 1:3 aufgebaut. Hierbei wurden die Erfahrungen von früheren Messserien (2007) sowie von Experimenten an einem horizontalen Strömungskanal berücksichtigt, so dass bei den aktuellen Experimenten sowohl der Versuchskanal als auch die Betriebsrandbedingungen wesentlich verbessert werden konnten. Da im TOPFLOW-Drucktank die Testsektionen im Druckgleichgewicht betrieben werden, besteht die Möglichkeit, die Seitenwände des Testkanals mit Glasfenstern auszustatten. Des Weiteren wurde der Kanal mit einem rechteckigen Querschnitt (Höhe: 250 mm, Breite: 50 mm) konstruiert, so dass die Strömungsvorgänge ohne Verzerrungen optisch erfassen werden können.Außerdem liefert der stationäre Betrieb des Versuchsstandes innerhalb einer geschlossenen Kontur wesentlich verbesserte Daten zur Untersuchung der partiellen bzw. kompletten Gegenstrombegrenzung, da der Datenauswertung ein konstantes Wasserinventar zugrunde liegt.

Heißstrangversuch im TOPFLOW Drucktank

Schema des TOPFLOW Drucktanks mit installiertem Heißstrangversuch und periphären Systemen

Die obige Abbildung zeigt schematisch den TOPFLOW-Drucktank mit beiden Zirkulationsschleifen sowie der Gasversorgung und dem Kühlsystem. Rechts im Behälter ist der Hochdruckkondensator dargestellt, der überschüssigen Dampf nach den Experimenten kondensiert und gleichzeitig den Druckausgleich zwischen dem Innenvolumen der Testsektion und der Tankatmosphäre gewährleistet. Die horizontale Testsektion wird von zwei Separationsbehältern begrenzt, die den Dampferzeuger (rechts) und das Reaktordruckgefäß (links) simulieren.

Ergebnisse

Bei den aktuellen Messungen wurden gegenläufige Strömungen der Gas- und Wasserphase sowohl für Luft-Wasser- als auch für Dampf-Wasser-Gemische untersucht. Im ersten Fall wurden Drücke von 0,1 und 0,2 MPa bei Temperaturen von ca. 20 °C eingestellt. Die nicht adiabaten Experimente wurden bei Drücken von 1, 2,5 und 5 MPa bei annähernd Sättigungsbedingungen durchgeführt. Dabei wurden in den Dampferzeuger-Separator Wassermassenströme von 0,3; 1 und 2 kg/s eingespeist. Der über den Reaktordruckbehälter-Simulator zugeführte Gasvolumenstrom wurde derart geändert, dass sich Strömungszustände, beginnend bei ungestörtem Gegenstrom über zunehmende Gegenstrombegrenzung bis zur kompletten Gegenstrombegrenzung einstellten. Um Hysterese-Effekte zu analysieren, wurde auch die entgegengesetzte Strömungsentwicklung betrachtet.

Neben ca. 100 Betriebsdaten stehen optische Aufnahmen von der geneigten Dampferzeuger-Eintrittskammer und vom horizontalen Kanal zur Verfügung. Zusätzlich wurden Drucksignale an mehreren Positionen entlang der Teststrecke erfasst. Anhand der Betriebsdaten wurden Flutkurven mittels der dimensionslosen Wallis-Parameter für die flüssige und gasförmige Phase berechnet, bei deren Analyse sich interessante Abhängigkeiten der Gegenstrombegrenzung sowohl vom Stoffsystem als auch vom Systemdruck zeigten. Außerdem kann anhand der Betriebsdaten die Qualität der Experimente und der Messdaten bewertet werden.

Die Bilddaten dienen einerseits zur Einschätzung des Strömungsregimes, zum Beispiel zum Nachweis der kompletten Gegenstrombegrenzung. Die folgende Abbildung zeigt die Entstehung eines Schwalls für eine Dampf-Wasser-Strömung bei einem Druck von 5 MPa und kompletter Gegenstrombegrenzung.

Visualisierung der Schwallentstehung im Heißstrangversuchsstand

Visualisierung der Schwallentstehung im Heißstrangmodell bei kompletter Gegenstrombegrenzung; Versuchsparameter: Dampf-Wasser-Experiment, Druck: 5 MPa, Sättigungsbedingungen, eingespeister Wassermassenstrom: 2 kg/s, Dampfmassenstrom: 1,05 kg/s

Andererseits werden gegenwärtig Bildverarbeitungsalgorithmen entwickelt, mit denen auch bei stark aufgewühlten Strömungen äquivalente Phasengrenzen bestimmbar sind.

Mit Hilfe der Druckänderungen im Kanal konnten Schwallfrequenzen ermittelt werden, die klare Abhängigkeiten vom Druck und auch vom eingespeisten Wassermassenstrom zeigen.

Die gemessenen und ausgewerteten Versuchsdaten wurden zur Entwicklung und Optimierung von Computational Fluid Dynamics (CFD) codes genutzt. Aktuelle Ergebnisse von vergleichenden Strömungssimulationen, die mit ANSYS CFX berechnet wurden, werden auf dieser Seite präsentiert.

Publikationen

Danksagung

Das dieser Arbeit zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter den Förderkennzeichen 150 1329 und 150 1411 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt liegt bei den Autoren.

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