Modellierung von Mehrphasenströmungen mit der OpenFOAM Foundation Software
Die quelloffene Software der OpenFOAM Foundation hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zur führenden Software für die numerische Simulation von Strömungen (engl. Computational Fluid Dynamics, CFD) in ingenieurstechnischen Anwendungen entwickelt. Ein Vorteil von quelloffener Software ist unter anderem die vollständige Verfügbarkeit des Quellcodes und damit eine umfassende Transparenz der verwendeten Algorithmen und Modelle, was beispielsweise beim Einsatz im Auslegungsprozess von verfahrens- und energietechnischen Apparaten von großer Bedeutung ist. Darüber hinaus ermöglicht sie die umfängliche Einhaltung der FAIR-Prinzipien (engl. findability, accessibility, interoperability, and reusability) für Forschungssoftware und Publikationen.
Seit einigen Jahren werden zentrale Entwicklungen zur numerischen Simulation von Mehrphasenströmungen am HZDR in der Software der OpenFOAM Foundation umgesetzt. Dazu hat das HZDR im Jahr 2017 das Contributors Agreement mit der OpenFOAM Foundation unterzeichnet und damit die einzigartige Möglichkeit aktiv zur Entwicklung der Software beizutragen. Beispielsweise wurde 2017 gemeinsam mit VTT Technical Research Centre of Finland Ltd. die Populationsbilanzmodellierung hinzugefügt und seitdem beständig weiterentwickelt.
Darüber hinaus wird mit dem Multiphase Code Repository by HZDR eine eigene Erweiterung für die Simulation von Mehrphasenströmungen und mit der Multiphase Cases Repository by HZDR eine Validierungsdatenbank für die Software der OpenFOAM Foundation entwickelt. Beides wird im Rossendorfer Data Repository bereitgestellt. Seit 2020 koordiniert das HZDR zudem die Entwicklungsarbeiten zu OpenFOAM_RCS (RCS - Reactor Coolant Systems), einer Erweiterung der OpenFOAM Foundation Software für die Simulation des Reaktorkühlkreislaufes von Kernkraftwerken. Als Mitglied des Process Engineering Consortium ist das HZDR außerdem eng mit der verfahrenstechnischen Industrie vernetzt und kann seine Entwicklungen entsprechend ausrichten und diese zur industriellen Anwendungsreife führen.
Aktuelle Projekte
Agile Softwareentwicklung am HZDR
Die OpenFOAM Foundation entwickelt ihre Software nach dem Konzept der kontinuierlichen Integration. Als Beitragender zum Release und Entwickler einer eigenen Erweiterung stellt diese Entwicklungsstrategie eine enorme Herausforderung dar. Die Helmholtz Cloud Services bilden die Grundlage für einen hohen Grad von Automatisierung im Softwareentwicklungsprozess und ermöglichen es die zur Verfügung stehenden Ressourcen effizient einzusetzen. Die eigene Erweiterung dient dabei einerseits für Machbarkeitsstudien, aber auch zur Entwicklung von Funktionalität bis hin zu produktionsreifer Software. Die Verwendung von Gitlab als Entwicklungs- und Mattermost als Kommunikationsplattform ermöglicht die gemeinsame Entwicklung der Software, und unterstützten die intensive Kooperation mit internationalen Partnern.
Baseline-Automatisierung mit Hilfe wissenschaftlicher Workflow-Systeme
Die Baseline-Strategie erfordert das Analysieren und Bewerten einer Vielzahl von Cases für Blasenströmungen, welche Teil eines umfangreichen, stetig anwachsenden Repositorys der CFD-Abteilung sind. Für die effiziente Validierung neuer Modelle wird eine automatisierte Workflow-Umgebung entwickelt, welche die gemeinsame Simulation von allen ~400 Cases und deren Evaluierung in einem Validierungsbericht ermöglicht. Damit wird die nachhaltige Entwicklung und aussagekräftige Beurteilung neuer Baseline-Modelle möglich.
Large-Eddy-Simulationen (LES) aufgelöster Phasengrenzflächen
Nach dem Prinzip der Skalentrennung können turbulente Wirbelstrukturen (engl. eddies) in Grob- und Feinstrukturen eingeteilt werden. Typischerweise werden in einer LES erstere räumlich und zeitlich aufgelöst und letztere durch Modellierung berücksichtigt. Im Kontext von Mehrphasenströmungen im Zwei-Fluid-Modell gibt es neben den "klassischen" turbulenten Spannungen weitere Beiträge, welche die Dynamik und das Zusammenspiel von Phasengrenzflächen und Turbulenz beschreiben. Dafür werden unterschiedliche Modelle und deren Kombination auf Eignung zur a-posteriori-Anwendung in technisch relevanten Simulationen untersucht.
Modellierung der Blasendynamik für Pool Scrubbing
Pool Scrubbing ist eine effektive Methode um den Eintrag radioaktiver Aerosolpartikel in die Atmosphäre während eines nuklearen Störfalls zu verhindern. Der Grad der Dekontamination wird dabei u. a. durch das Wachstum und die Ablösung der Blase an den Düsen, die Oszillationen und Deformationen der Blase während des Aufstieges im Becken und durch Koaleszenz und Zerfall der Blasen beeinflusst. Der Fokus der Arbeiten liegt auf Studien zur Blasendynamik unter Bedingungen, die beim Pool Scrubbing vorherrschen, wobei vorwiegend "Interface Tracking Methoden" zum Einsatz kommen. Die Arbeiten sind Bestandteil des internationalen Projektes IPRESCA (Integration of Pool scrubbing Research to Enhance Source-term Calculations).
A Morphology-adaptive Multifield Two-fluid Model
Das Zwei-Fluid-Modell (Euler-Euler) wird derart erweitert, dass die numerische Simulation von koexistierenden aufgelösten (kontinuierlichen) und kleinskaligen (polydispersen, beispielsweise Tropfen oder Blasen) Strukturen möglich wird. Hierzu ist es erforderlich, die numerische Methode in der Software der OpenFOAM Foundation an aktuelle Entwicklungen anzupassen (Cubero et al., Computers & Chemical Engineering 62, 96 - 107, 2014) und neue, generalisierte Modelle für die Beschreibung der aufgelösten Grenzflächen abzuleiten. Dazu gehören eine auflösungsabhängige Widerstandsformulierung direkt an der Grenzfläche, die Modellierung der Interaktion von Turbulenz und Grenzflächengeometrie, die Interaktion von dispersen Strukturen mit Grenzflächen sowie der Stoff- und Morphologieübergang zwischen angrenzenden Phasen (Entrainment, Detrainment, Impingement, Detachment, Flüssigkeitsfilm).
NUSAR-RCS: Nachhaltige Entwicklung von Simulationssoftware für die Modellierung von Reaktorkühlkreisläufen
Auf Grund der wachsenden Bedeutung von Computational Fluid Dynamics (CFD) für die Reaktorsicherheitsforschung gibt es schon seit vielen Jahren Aktivitäten mit dem Ziel einer entsprechenden Qualifizierung der verfügbaren CFD-Methoden. Das umfasst sowohl die Modellentwicklung als auch die Validierung anhand detaillierter experimenteller Daten, welche in umfangreichen Vorhaben generiert wurden. Entwicklungsbedarf gab und gibt es dabei u. a. für Mehrphasenströmungen, hier insbesondere für Störfallszenarien im Primärkreislauf. Um die in den verschiedenen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhaben durchgeführten Modellentwicklungen und –validierungen langfristig nutzen zu können, werden diese in der Software der OpenFOAM Foundation als Referenz durchgeführt, welcher damit für entsprechende Anwendungen qualifiziert wird. Das hier vorgestellte Projekt verfolgt das Ziel, Software und Simulationsmodelle von Partnerinstitutionen in einem gemeinsamen Repository zusammenzuführen und nachhaltig zu pflegen.
Populationsbilanzmodellierung für polydisperse Zweiphasenströmungen
Eine Vielzahl der in Natur und Technik auftretenden Zweiphasenströmungen sind dadurch gekennzeichnet, dass eine als kontinuierlich bezeichnete Phase ein zusammenhängendes Gebiet einnimmt, während die andere sogenannte disperse Phase in Gestalt von Blasen, Tropfen oder Partikeln vorliegt. Die Größe der Partikel ist hierbei in der Regel unterschiedlich, wodurch eine polydisperse Zweiphasenströmung vorliegt. Am HZDR werden Methoden entwickelt, welche es erlauben die räumliche und zeitliche Entwicklung von Partikelgrößenverteilungen in technischen Anwendungen zu simulieren. Die zugehörigen Implementierungen werden in der Software der OpenFOAM Foundation zur Verfügung gestellt.
Schwerpunktgemitteltes Euler-Euler-Model
Im auf der Phasenmittelung basierenden Euler-Euler-Model sind die Blasenkräfte eine Funktion der lokalen Volumenfraktion. Die entwickelten Schließungsmodelle basieren jedoch zumeist auf der Annahme, dass die Kräfte am Schwerpunkt der Blase angreifen. In Simulationen mit einer hohen Gitterauflösung kann diese Annahme zu einer unphysikalischen Gaskonzentration führen, beispielsweise im Zentrum eines Kanals oder in der Nähe der Wand. Das schwerpunktgemittelte Euler-Euler-Model ermöglicht es, diese Inkonsistenz zu beseitigen, indem stattdessen die Blasendichte betrachtet wird, aus welcher durch eine geeignete Konvolution die Volumenfraktion berechnet wird. Dies hat den zusätzlichen Vorteil, dass die Blasenabmessungen und die Verformung der Blase durch eine anisotrope Diffusion berücksichtigt werden können.