Pressemitteilung vom 31. Januar 2023

Magnet-Sandwich als Mittler zwischen zwei Welten

Wissenschaftler*innen koppeln Terahertz-Strahlung mit Spinwellen

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) hat eine neue Methode zur effizienten Kopplung von Terahertz-Wellen mit deutlich kurzwelligeren, sogenannten Spinwellen entwickelt. Wie die Fachleute in der Zeitschrift Nature Physics (DOI: 10.1038/s41567-022-01908-1) berichten, klären ihre Experimente im Zusammenspiel mit theoretischen Modellen die grundlegenden Mechanismen dieses bisher für unmöglich gehaltenen Prozesses auf. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt für die Entwicklung neuartiger, energiesparender spinbasierter Technologien zur Datenverarbeitung.

Foto: Eine Terahertz-Lichtwelle (von links) wird in einer Probe aus dünnen Metallschichten in eine Spinwelle (rechts) umgewandelt. ©Copyright: HZDR/Juniks

Eine Terahertz-Lichtwelle (von links) wird in einer Probe aus dünnen Metallschichten in eine Spinwelle (rechts) umgewandelt. In einer Schwermetallschicht (links) werden zunächst elektrische Ströme durch das Terahertz-Feld angeregt. Innerhalb kürzester Zeit führt der Spin-Hall-Effekt zur Ansammlung von Spins mit einer bestimmten Ausrichtung an der Grenzfläche zu einer ferromagnetischen Schicht (rechts). Dieser gerichtete Spinstrom stößt dann im ferromagnetischen Material eine kohärente, nanometergroße Spinwelle an.

Bild: HZDR/Juniks

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„Wir konnten hochenergetische Spinwellen durch Terahertz-Licht in einem sandwichartigen Materialsystem effizient anregen, das aus zwei wenige Nanometer dünnen Metallfilmen mit einer dazwischen eingelagerten ferromagnetische Lage besteht“, sagt Dr. Sergey Kovalev vom Institut für Strahlenphysik am HZDR, wo die Experimente durchgeführt wurden. Elektronen haben eine effektive Eigendrehung – den Spin, der sich wie ein Kreisel verhält. Und wie bei einem Kreisel kann durch eine äußere Störung die Drehachse der Spins gekippt werden: Es folgt eine Taumelbewegung, die sogenannte Präzession. In ferromagnetischen Materialien besteht zwischen den Elektronenspins eine sehr starke Wechselwirkung, und infolgedessen setzt sich eine lokal begonnene Präzession in Form einer Spinwelle in der gesamten ferromagnetischen Materialschicht fort. Das ist deshalb interessant, weil eine Spinwelle – wie eine jede Welle – als Informationsträger genutzt werden kann. Und weil die Spins der Elektronen dabei zwar kreiseln, aber in den betrachteten Ferromagneten an ihren Plätzen bleiben, fließt kein elektrischer Strom. Anders als in heutigen Computerchips, gibt es in spinbasierten Bauteilen also keine Wärmeverluste durch Ströme.

Praktischerweise liegen die charakteristischen Frequenzen der hochenergetischen Spinwellen im Terahertz-Bereich. Das ist exakt der Zielbereich für neuartige ultraschnelle Technologien zur Datenübertragung und ‑verarbeitung. Die Kopplung der optischen Terahertz-Technologie mit spinbasierten Bauelementen könnte daher völlig neue und effiziente Konzepte für IT-Technologien ermöglichen.

Problem: Verständigung zwischen verschiedenartigen Wellen

Ähnlich wie beim Licht, das auch in Form einzelner Teilchen, den Photonen, beschrieben werden kann, sind die Energien der Spinwellen gequantelt, und die Quanten der Spinwellen werden Magnonen genannt. Magnonen und Terahertz-Photonen besitzen dieselben Energien und sollten daher einfach ineinander umwandelbar sein. Doch auf dem Weg dorthin gibt es ein Problem – die völlig unterschiedliche Geschwindigkeit der beiden Wellenphänomene. Terahertz-Wellen sind als elektromagnetische Strahlung mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs, während Spinwellen an die Existenz wechselwirkender Spins gebunden sind. Ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit ist hunderte Male kleiner als die des Lichts. Und während die Terahertz-Wellen eine Wellenlänge von etwas weniger als einem Millimeter besitzen, liegt sie bei Spinwellen hingegen im Bereich von nur wenigen Nanometern. Die Terahertz-Welle hat dadurch keine Chance, ihre Energie gezielt und direkt an eine viel langsamere Spinwelle zu übertragen.

Zur Lösung des Problems haben die Forscher*innen eine Kombination hauchdünner metallischer Schichten aus Tantal und Platin ausgetüftelt, in deren Mitte sie eine dünne Lage einer ferromagnetischen Nickel-Eisen-Legierung einlagerten. Diese Materialkombination ist genau darauf abgestimmt, Signale aus der Welt des Lichtes in die Welt der Spins zu „übersetzen“.

Vom Licht zum Spin in vielen Schritten

Ihr funktionelles Schichtmaterial haben sie am HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung entwickelt und hergestellt. Dazu dampften sie schrittweise Metallfilme auf ein dünnes Glassubstrat auf. „Im Experiment haben wir dann die Proben mit intensiven Terahertz-Pulsen beschossen und ihre zeitlich schnell variierende Magnetisierung mit optischen Laserpulsen gemessen. Dabei fanden wir charakteristische Schwingungen der Magnetisierung, auch für Zeitpunkte in denen der anregende Terahertz-Puls gar nicht mehr mit der Probe in Wechselwirkung stand“, erklärt Kovalev. „Wir haben viele Faktoren variiert, wie äußere Magnetfelder und unterschiedliche Materialzusammensetzungen der Lagen, bis wir sicher zeigen konnten, dass es sich tatsächlich um die gesuchten Spinwellen handelt“, sagt Teamkollege Dr. Ruslan Salikhov, der an neuen funktionalen magnetischen Materialien arbeitet.

Für diese Umwandlung einer elektromagnetischen Welle in eine Spinwelle hat sich das Team eine ganze Reihe verschiedener Quanteneffekte zunutze gemacht. Diese Effekte sorgen bildlich gesprochen dafür, dass Terahertz- und Spinwelle einander verstehen. Zunächst beschleunigt die Terahertz-Strahlung freie Elektronen im Schwermetall, sodass mikroskopische Ströme entstehen können. Diese Ströme werden durch den sogenannten Spin-Hall-Effekt in Spinströme umgewandelt, also Ströme von Elektronen, die nur eine ganz bestimmte Spin-Ausrichtung aufweisen und somit den resultierenden „Drall“ im Ortsraum transportieren können. An den Grenzflächen zwischen Schwermetall und Ferromagnet übt dieser „Drall“ dann ein Drehmoment auf die Spins im Ferromagneten aus. Dieses Drehmoment liefert genau die Störung, die zur Entstehung von Spinwellen führt.

Durch den Vergleich verschiedener Proben konnten die Wissenschaftler*innen nun zeigen, dass das Terahertz-Feld selbst nicht in der Lage ist, unmittelbar Spinwellen zu erzeugen. Erst der Umweg führt zum Erfolg. Damit konnten sie theoretische Vorhersagen zur Effizienz der Spin-Bahn-Drehmomente auf Pikosekunden-Zeitskalen bestätigen. Das neue Probensystem funktioniert daher als Terahertz-getriebene Quelle für Spinwellen, die sich prinzipiell leicht in Schaltkreise integrieren ließe. Diese Arbeit ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Nutzung von Terahertz-Technologie in neuartigen Elektronikkomponenten. Gleichzeitig eröffnet die gezeigte Methode neue Möglichkeiten zur berührungslosen Charakterisierung spinbasierter Bauteile.


Publikation:

R. Salikhov, I. Ilyakov, L. Körber, A, Kákay, R, A. Gallardo, A. Ponomaryov, J.-C. Deinert, T. V. A. G. de Oliveira, K. Lenz, J. Fassbender, S. Bonetti, O. Hellwig, J. Lindner, S. Kovalev, Spin-orbit torque mediated coupling of terahertz light with nanometer-wavelength magnon modes, in Nature Physics, 2023 (DOI: 10.1038/s41567-022-01908-1)


Weitere Informationen:

Dr. Ruslan Salikhov
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel.: +49 351 260 3758 | E-Mail: r.salikhov@hzdr.de

Dr. Sergey Kovalev
Institut für Strahlenphysik am HZDR
Tel.: +49 351 260 2454 | E-Mail: s.kovalev@hzdr.de

Medienkontakt:

Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
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