Nachricht vom 7. November 2023

Mit Gasblasen gegen neue Schadstoffe

HZDR-Ingenieur stellt innovative Methode zur Wasseraufbereitung beim Falling-Walls-Wettbewerb vor

Ob Pharmazeutika, Pestizide oder Mikroplastik – einige der Substanzen, die Gewässer auf der ganzen Welt belasten, sind erst seit wenigen Jahren bekannt. Sie zählen zu den so genannten „neuen Schadstoffen“, die sowohl der Natur als auch dem Menschen gefährlich werden können. Eine Methode, um sie effektiv zu bekämpfen, gibt es bislang nicht. Am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht Amit Kumar an einem Ansatz, der sich die Energie implodierender Gasblasen zunutze macht, um diese Art von Kontaminanten in Klärwerken und anderen technischen Anlagen zu neutralisieren. Am 7. November präsentiert er die Idee beim Zukunftswettbewerb Falling Walls in Berlin.

Foto: Amit Kumar ©Copyright: HZDR

Beim Zukunftswettbewerb Falling Walls präsentiert Amit Kumar die Methode der hydrodynamischen, kavitationsbasierten Oxidation. Sie gehört auch zu den Themen, die der Postdoktorand am Clean Water Technology Lab – CLEWATEC des HZDR erforscht.

Bild: HZDR

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Wasserverschmutzung ist eine globale Herausforderung, wobei die neuen Schadstoffe den größten Teil des Problems ausmachen. Neben den genannten Beispielen werden auch Rückstände von Industriechemikalien und Pflegeprodukten unter dem Begriff zusammengefasst. Diese Schadstoffe haben alle gemeinsam, dass ihr Vorkommen in der Umwelt – im Trinkwasser, im Oberflächenwasser oder im Grundwasser – erst im Laufe der 1990er Jahr oder später entdeckt wurde. Oft sind ihre Wechselwirkungen mit anderen Chemikalien und Organismen komplex und noch nicht völlig verstanden. Dadurch stellen sie ein schwer kalkulierbares Risiko dar, zum Beispiel für aquatische Ökosysteme.

Oxidation setzt Kontaminanten außer Gefecht

Kläranlagen spielen eine entscheidende Rolle bei der Beseitigung dieser Schadstoffe, jedoch stoßen sie häufig an ihre Grenzen, wenn es um die Entfernung von chemisch stabilen Verbindungen geht. Die innovative Methode von Amit Kumar setzt hier an: Mithilfe einer Hochdruckpumpe wird in den Anlagen zunächst ein Druckunterschied im Wasser erzeugt, der die Bildung und Auflösung von Gasblasen begünstigt. Entscheidend sind die reaktionsfreudigen Hydroxylradikale, die im nächsten Schritt durch die Implosion der Blasen freigesetzt werden. Sie können an die Schadstoffe andocken und oxidieren diese in kleine, inaktive Fragmente. Um die gewünschte Zahl an Hydroxylradikalen zu erzeugen, fügen die Forscher*innen dem Prozess Ozon hinzu.

„Der Vorteil dieses kombinierten kavitationsbasierten Verfahrens liegt darin, dass es für ein breites Spektrum an neuen Schadstoffen anwendbar ist und keine festen Abfälle entstehen. Damit ist es umweltfreundlicher als viele andere Methoden“, erklärt Amit Kumar, der am Clean Water Technology Lab – CLEWATEC des HZDR gemeinsam mit seiner Kollegin Ysabel Huaccallo Aguilar an dem Thema arbeitet. „Wir erhoffen uns, dass diese Technologie, die sich derzeit noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase befindet, einmal in verschiedenen Bereichen zum Einsatz kommt. Neben der kommunalen und industriellen Abwasseraufbereitung eignen sich auch die Landwirtschaft sowie die Trinkwasseraufbereitung dafür.“

Mit seiner Idee tritt Amit Kumar nun bei der jährlichen Veranstaltung Falling Walls Engage an, die sich an junge Erfinder*innen, Forscher*innen, Start-up-Unternehmer*innen und Studierende richtet. Sie ist an die Falling-Walls-Konferenz in Berlin angegliedert. Zuvor war er aus einer Qualifikationsrunde in Hannover, der „Summer School on Global Solutions for Water Security“, Ende September als Sieger hervorgegangen und hatte sich damit einen Platz im Finale gesichert. Dort bekommt er die Gelegenheit, sein Projekt im Anschluss an den Wettbewerb "Science Engagement" in einem 5-minütigen Pitch einer hochkarätigen Jury sowie einem internationalen Publikum vorzustellen.

Von der Donau an die Elbe

Amit Kumar ist in Indien geboren und aufgewachsen. Er studierte an den Universitäten in Girona (Spanien) und Belgrad (Serbien) – wo er im Jahr 2022 seinen Doktortitel in Umwelttechnik erwarb – im Rahmen des Marie Skłodowska-Curie Innovative Training Network der Europäischen Union. Nach erfolgreicher Promotion auf dem Gebiet der Umwelttechnik wechselte er im Februar 2023 ans HZDR und setzte seine wissenschaftliche Karriere am Clean Water Technology Lab CLEWATEC fort, das an der Schnittstelle zwischen Industrie und Forschung innovative Lösungen der Wasseraufbereitung erprobt. Neben der Forschung zu neuen Schadstoffen untersucht Amit Kumar außerdem, wie computerbasierte Simulationen dabei helfen können, das physikalische Phänomen der Kavitation besser zu verstehen.

„Falling Walls“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Helmholtz Gemeinschaft sowie der Robert Bosch Stiftung gefördert. Zudem beteiligen sich eine Vielzahl wissenschaftlicher Einrichtungen und Stiftungen, darunter acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Leibniz-Gemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Max-Planck-Gesellschaft, der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Körber-Stiftung. Die Veranstaltung fand 2009 erstmals zum Jahrestag des Mauerfalls statt. Das Motto damals und heute: Mauern in der Wissenschaft einreißen und Grenzen überwinden.


Weitere Informationen:

Dr. Sebastian Reinecke
Institut für Fluiddynamik am HZDR
Tel.: +49 351 260 2320 | E-Mail: s.reinecke@hzdr.de

Medienkontakt:

Simon Schmitt | Leitung und Pressesprecher
Abteilung Kommunikation und Medien am HZDR
Tel.: +49 351 260 3400 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de